dhonau: mit heruntergezogenen socken


Montag, 10. Oktober 2011


bring mir den ko
pf des jochanaan

der frevel, die eitelkeit, der film —
bescheidung und ethik
(neuauflage für lalol)



im vorigen schlöndorff-beitrag und seinen kommentaren ging es auch um die bescheidenheit als einen wohltuenden gegensatz zur film-szene im allgemeinen, zum gedöns, den eitelkeiten, oberflächlichkeiten, die dieser welt nachgesagt werden. unter diesem gesichtspunkt ist schlöndorff interessant insofern, weil uns das ganz nebenbei zu einem übergeordneten thema führt, nämlich der HYBRIS mensch, der überanstrengten gattung schlechthin. wie sich auch zeigt in der grenzübersteigenden instanz dessen, was wir bewußtsein nennen, und all jenen begriffen, die im gefolge dieses phänomens stehen.

wenn wir die kunst im allgemeinen als einen spezialfall dieser hybris ansehen wollen, nämlich insonderheit den frevel, als schöpfer aufzutreten, welt nicht nur zu verstehen also, sondern welten zu schaffen, in die GROSSE SCHÖPFUNG gewissermaßen hineinzureden, dann verstehen wir vielleicht auch, worum es bei diesem thema der ANMASSENDEN SZENE des films auch geht.
die nouvelle vague als der begründerin des modernen frz. künstlerischen films entstand, als junge cineasten in DER filmzeitung ("les cahiers du cinéma") anfingen kritiken zu schreiben, in der sie den autorenfilm forderten, d. i. ein produkt von persönlicher, künstlerischer URHEBERSCHAFT (vgl. schöpfer), die, wie wir jetzt verstehen, immer auch in der nähe agiert von prätention und überhebung.
der JUNGE DEUTSCHE FILM ist die entsprechung zur nouvelle vague, auch hier spielte eine filmzeitschrift ("die filmkritik") als forum vor allem auch freier filmschaffender eine tragende rolle – nur daß hier von vielen protagonisten dieser bewegung gegen den deutschen restaurativen "wirtschaftwunder-nachkriegs"-film auch eine politiserung eingefordert wurde.
in der nouvelle vague wurde die romanverfilmung kritisch betrachtet, weil der film gegenüber der literatur ja sich als ein eigenständiges medium abzugrenzen habe.
unter diesem gesichtspunkt ist auch zu verstehen, warum schlöndorff, der sich einerseits durchaus zum JUNGEN DEUTSCHEN FILM rechnete und gerechnet wurde, was etwa die distanz zum mehr oder weniger reaktionären nachkriegsdeutschland anbelangt, doch zugleich auch ein außenseiter dieser szene ist, weil er eben andererseits als der literaturverfilmer, der er immer war, nicht wirklich zur szene der autorenfilmer gehörte. damit kommt eine andere seite der "frevel"-gattung mensch ins spiel, das ist die sich selbst moderierende, sich selbst grenzen setzende gattung, und da sind wir AUCH bei dem, was wir ETHIK nennen.
angesichts der finanzkrise also ein hochaktuelles thema




s. zwei artikel aus der zeitung von heute:
1) über den neuen film von schroeter
ein "klassischer" autorenfilmer
und "meister der künstlerischen überhebung"
geschrieben vom nach meiner meinung besten
dt. filmkritiker fritz göttler
2) über eine retrospektive des filmuseums in wien
über DEN truffaut-schauspieler:
(hieraus das abfotografierte bild)
jean-pierre léaud



jean-pierre léaud, der nicht nur bei truffaut (als junge naturbegabung und als darsteller eines zöglings) gespielt, sondern bei anderen regisseuren der extra-klasse wie godard, bertolucci (der letzte tango ...), rivette, eustache ("La maman et la putain") gearbeitet hat, ist eine wahre hybris von schauspieler-mensch, ein faß ohne boden, eine kinoexistenz, ein mensch aus nichts als kino. dieser schauspieler-mensch, den truffaut als 14-jährigen entdeckt und zu seinem alter ego-antoine doinel macht, so der name der figur, für 4 spielfilme und über einen zeitraum von 20 jahren, dessen erster davon (“Sie küssten und sie schlugen ihn/ Les quatre cents coups“) die nouvelle vague (mit-)begründet; dieser schauspieler-mensch läuft auf einer "verbotenen" grenzlinie zwischen kunst und leben, und er steht mit seinem eigenen leben dafür ein. er ist ein aus dem kino herausgeborenes wesen: das ist es, wofür die nouvelle vague auch steht, hier wird eine URHEBERSCHAFT beansprucht, eine offensive mensch gestartet, mitreißend, schön, anti-bürgerlich, elegant, anmutig, verstörend, anmaßend ...

bei léaud kannst du dir nie sicher sein, ob er nicht irgendwann aus einer laune heraus in den himmel hinauf deklamiert (und fast immer deklamiert er, was für einen schauspieler eigentlich der künstlerische tod ist): ob es nicht besser wäre, auf dem höhepunkt seiner karriere aufzuhören mit der ewigen spielerei? seine wahre profession sei doch, den frauen zu entsagen, oder vielleicht doch eher das gegenteil? – sich nur noch ihnen zu widmen.
in "mama und die hure" spricht er jeden satz (und der gipfel des satzes ist jener, aus dem gedächtnis zitiert: "ah! mit den worten der anderen sprechen können, dahin möchte ich kommen, dort muß die freiheit sein!"), als huldige er einem geheimen theatergott, der ihm jede absolution verweigern wird. er ist sich sicher, das spürt der notleidende kunstzuschauer, er muß eines tages für all diese seine sünden schmoren. "natur! natur!", so könnte er in all seinen filmen gesagt haben, "was ist natur? was soll das sein? natur ist nichts, gar nichts!"
es gibt eine ironie, und das ist die romatische, die uns die ewigkeit (und den traum von der unsterblichkeit) vom leib hält, indem sie sie ein klein wenig näherrückt, dieses für-immer-und-ewig. bis dorthin, wo der schmerz von der lust nicht zu unterscheiden ist; dort ist alles kleine groß – oder umgekehrt, wer weiß das schon so genau. wir spielen alle um unser leben. niemand führt diese verzeiflungsironie so bitter schön vor wie der léaud. ein kindmann sondergleichen. unerreichbar, schutzlos, närrisch.
stellen Sie sich vor, gerade haben Sie all die klugen und vernünftigen sätze vor sich aufgehäuft, die zu einem verantwortungsbewußten, vorbildlichen erwachsenen gehören, dann wird Ihnen vielleicht eine "konter"-existenz wie der filmmensch léaud etwas plausibler, vielleicht ...



aus La maman et la putain





bring mir den kopf des jochanaan


das anfangs-standbild dieses (jetzt leider nicht mehr freigegebenen) videos ist großartig: unser christlich-jüdisch-arabischer ursprung in einer momentaufnahme




dhonau, 16:50h
=zeit war`s

salome   363

... comment

 
Das Bildnis des Dorian Gray
Sie haben mich gewarnt, die wahren Worte, nicht mit der Ware Wort zu verwechseln.
Wie einfach ist es, sich die Worte aus der Krabbelkiste zu fischen. Klatschen sie doch überall um meine Ohren, die geflügelten, plakativen, klebrigen, giftigen... ich muss sie nur speichern.
Aber auch das, ist bei einem überlastetem Gehirn kein Problem, Ordner auf und rein damit!
Nur so, zum Spaß, binde ich, reduziere ich, verforme ich sie, bis zur Unkenntlichkeit.
Was kostet die Welt- wo sie so billig hergeht?
Aber nichts, nichts ist nur zum Spaß. Was für eine faule Ausrede. Ein leichter im Wind wehender Mantel. Der wärmt nicht!
Was will ich? Einen Knoten ins Netz weben? Mich binden?
Schicht für Schicht meinen Panzer ablegen?
Weiß ich doch, was ich finden werde!
Mein altes, vernarbtes Herz. Mit frisch aufgerissener Wunde. Zitternd, flatternd!
Und so gar nicht stark!
Diese unsagbare Verletzlichkeit- und mehr ist es nicht.
Haben Sie mir nicht geantwortet? – Aber nein, kein Vorwurf.
Es war kaum fassbar für mich, den Ball zugeworfen zu bekommen.
Ein Spiel, man muss es nur als solches nehmen.
Wie ein kleines, junges Mischlingshündchen springe ich los(mit flatternden Ohren), Ihnen den Ball wieder vor die Füße zu legen. Wufff! Und sollte ich ihn mal nicht finden, in diesem Wortdickicht, was soll`s, leg ich Ihnen halt ein anderes Spielzeug vor, einen Stein oder ein Stöckchen.
So einfach, einen Schritt in die Vergangenheit zu tun, und schon poppen die Bilder auf.
Wie der Kopf des Johannes(wobei Salome eindeutig im Vordergrund steht).
In der zerrissen Figur des Dorian Gray ist er mir ans Herz gewachsen, der Oscar Wilde.
Und dieser leicht morbide, düstere Pinselstrich des Franz von Stucks.
Ja, ja, die Geister, die ich rief.
Es ist Zeit, es ist an der Zeit loszulassen.
Was tut da nur so weh...?
Der Kopf des Johannes, ist nicht Ihr Kopf.
Mit maman... haben Sie mich an den Pranger gestellt(obwohl ich kein französisch kann).
Ich bin ich, als vulgär zu bezeichnen, ich fühl` mich angespuckt.
„ ein Mondstrahl fällt auf Salome und beleuchtet sie.
Herodes dreht sich um und erblickt Salome. Tötet dieses Weib!
Die Krieger stürzen vor und zermalmen unter ihren Schildern Salome, Tochter der Herodias, Prinzessin von Judäa.
Ende“ Oscar Wilde

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dhonau stellt niemand ...
an den pranger.

diesen älteren beitrag neuaufzulegen und Ihnen zu widmen war eine intuition.

der darin angesprochene film "maman et la putain" ist der lieblingsfilm eines verloren gegangenen freundes, der ihn mindestens 10mal gesehen hat. in diesem dhonau-beitrag steht er als besonderes beispiel für den schauspieler-mensch léaud, der in seinem narzißmus alle frauen dafür büßen läßt, daß sie ihn aus sich heraus haben gebären dürfen. das ist die umstülpung (u. destruktion) der idealisierten (=heiligen) mutter.
er, der kindmann, darf in ihrer gegenwart sich in in die unaufhörliche rede verwandeln, weil (die nur für ihn daseiende, blöde) mama so gut wie niemand sonst zuhören kann.
von der (auf diese weise erhobenen) hure, das ist zugleich auch die unmutter, die verschmähte tochter, wird er, der kindmann, nicht deswegen geliebt, weil er so liebenswert ist als dieses schreckliche unerträgliche großartige früchtchen, sondern wegen seiner verlorenheit, ausschließlich wegen seiner verlorenheit liebt sie das unausstehliche stück narzißmus.

auch wenn ich Ihren kommentar nicht so ganz verstanden habe — er ist sehr schön ...

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Santé
auf ihre Intuition.
So bin ich auf einen längst vergessenen Film gestoßen.
Jules et Jim: http://www.youtube.com/watch?v=OWTwhC6Jk88

Wilde Salome könnte einen düsteren Novembertag versüßen ;)
http://www.youtube.com/watch?v=gULCVyXGoKA

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schwache mission
auf die ... kommen in .. hineinunternoch schwächerer...
by dhonau (14. Oktober, 16:44)
der präsident und...
CHARME ist ein wort, wie wir hier in der wikip.-verlinkung...
by dhonau (14. Oktober, 16:32)
(II) schöne rombilder...
(a) — haus und mutter gottes — (siehe text)...
by dhonau (14. Oktober, 16:13)
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DER PFEIFENDE MENSCH...
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