DER FEIGENBAUM
| | ein gegensatz zu feigenbaum wäre der baum der verbotenen früchte wäre der baum der erkenntnis denn als die menschen sündenfähig wurden, sagen wir es einmal weltlich, als sie mit bewußtsein ausgestattet wurden, insbesondere, als sie sich ihrer selbst bewußt werden mußten (mit bewußtsein belastet wurden), als sie anfingen sich selber zu sehen, als sie sich mit den augen anderer sehen konnten, weil das sehen kommuniziert werden konnte, weil das sehen sprache, mithin gesellschaftlich wurde, da waren sie im allge- meinen und besonderen ENTBLÖSST. sich zu bedecken, sich bedeckt zu (ver)halten, einen unterschied zu machen zwischen privat und öffentlich, macht die menschen zu dem, was sie sind: zu GESELLSCHAFTLICHEN und zu POLITISCHEN wesen, da gibt es kein vertun.
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wenn wir noch einmal auf das torso-gedicht von rilke bezug nehmen:
Wir kannten nicht sein unerhörtes Haupt, darin die Augenäpfel reiften. Aber sein Torso glüht noch wie ein Kandelaber, in dem sein Schauen, nur zurückgeschraubt,
sich hält und glänzt. Sonst könnte nicht der Bug der Brust dich blenden, und im leisen Drehen der Lenden könnte nicht ein Lächeln gehen zu jener Mitte, die die Zeugung trug ...
es ist wie wenn aus aller religion nur noch eine schaltende mitte (gewissermaßen eine namenlose, subjektlose autorität) von oben nach unten übrig gelassen wäre, wie wenn allein noch übrig bliebe die richtung nach OBEN, wie wenn wir uns die möglichkeit aufbewahrt hätten als eine notwendigkeit über alles leben hinaus zu denken zu existieren zu sein, so bliebe uns dadurch auch ein angesprochen werden können, das mehr wäre als eine instanz in irgendeiner menschlich-irdischen hierarchie, der wir uns zu beugen hätten. diese schaltmitte, wenn dieser technische ausdruck gestattet sei, weil er uns vor sakralem geschwätz bewahren kann, diese schaltmitte, in der richtungen organisiert werden, wohin zu gehen sei, wohin die reise geht, was zu geschehen habe, und dergleichen, diese schaltmitte also sichert uns die letzte möglichkeit, uns als wesen zu begreifen, die antworten über das leben hinaus zu geben haben, fragen, die sich uns stellen, ob und wie wir sie auch immer wahrnehmen, — und die allgemeinste form dieser antwort liefert eben jener satz: DU MUSST DEIN LEBEN ÄNDERN | |
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warum hier die ...
| verquickung von DU MUSST DEIN LEBEN ÄNDERN und PARIS/RODIN/RILKE? | | | weil es die metropole ist, die nur diese kommunikation RODIN-RILKE hat hervorbringen können; die metropole, die das bürgertum herausgelöst hat, das in der flanierenden rede seinen gipfel hat. das sich-um-kopf-und-kragen-reden. die freien händen des auf zwei beine gekommenen wesens fuchteln herum; sie geben beredtes zeugnis ab von dem losgelassenen tier, das diesen unseren planeten scheucht und schindet. endlich wird es ernst werden, die kaffeehaus-gespräche, welche doch im ernst nie stattgefunden haben zwischen hoch-kooperativen, hoch-auseinandersetzungsfähigen geistesrittern, sind ins fernsehen verlegt worden und zeigen sich als das, was wir immer schon befürchtet hatten: öffentliche erregungsrituale und sedierungsprogramme. hatten früher die protagonisten sich gegenseitig noch vorgeworfen, ihr jeweiliges publikum für dumm zu verkaufen, so stellt sich immer mehr heraus, sie halten alle in wahrheit für unverbesserliche angsthasen | | | | | | wer die bildhauerwerke rodins anschaut, und die klassisch-antiken darstellungen im hinterkopf hat, die errichtung idealtypischer menschen-götter, dem wird diese menschliche herausgebildetheit des anfällig-seelisch-"geneigten", die affektive realität des menschlichen, die zerstörtheit des idealtypischen womöglich ebenso aufgehen, wie es dem grenzbewanderten neurosenkämpen dieser zeilen gegangen ist. wer in der neuzeit restlos angekommen ist, der mag denken, den menschen gibt es nur als neurose. als groß aufgeladenen kümmerling. aber bei diesem frusturteil kann und darf es kein bewenden haben. d. h. wir brauchen auch formate, die diesen unseren übersteigerungen standhalten, ihnen eine erträgliche, sprich kommunikable form geben. als einen solchen großversuch sehe ich das sloterdijk-buch an. | |
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