Natürlichkeit war ein Produkt der Kunst, nicht der Natur."
(mai, klaus-rüdiger)
... und immer das begehren, das manische angezogensein, die unbezähmte natur, wie sie in einem selbst noch am werk ist ...
der mensch ist selbst eine schaltstelle zwischen zivilisation und wilder natur — ein auf dieser grenze stattfindendes wesen; dort ereignet sich der mensch in seinen tiefen und untiefen, seiner hergekommenheit und seiner unstillbaren sehnsucht nach ankunft. was tun wir nicht alles für anerkennung in einer wie immer fremden welt. wie oft fällt in einer biographie die wendung, jemand sei in einem nachdrücklichen sinn des wortes endlich — angekommen?
der ORPHEUS mythos, das ist der mythos, der von der grenze zwischen lichtheller freude am bunten, ausdrucksreichen leben und der dunklen welt unserer getriebenheit kündet — ja, dieses etwas altmodische wort von der KUNDE ist hier bewusst gesetzt. denn es meint die gerichtete information, die nachricht, die zugleich botschaft ist.
orpheus mit der LYRA war der sänger, der die gesamte organische und anorganische welt in seinen bann zog, auch die götter, in denen alle wildheit und kultursinnigkeit noch ganz und gar ungeschieden war. das ist die SPHÄRE, aus der alles geschöpft ist, an der wir nur, oder vielleicht besser gesagt, vor allem in unseren genial-genialischen momenten partizipieren; in diesen momenten spricht nicht das individuum, sondern gewissermaßen durch uns hindurch die SCHÖPFUNG selber. um an dieser quelle, die überall und nirgendwo ist, teilzuhaben, brauchen wir viel mehr urvertrauen, die fähigkeit, sich zu überlassen, als das, was wir TALENT nennen. im talent drückt sich "nur" die viel (aus)geübte fähigkeit aus, das jeweilige instrument zu spielen mit eben der möglicherweise sogar besonderen disponiertheit, mit der wir gestartet und unterwegs sind — um welches instrument (oder welche begabung) es sich dabei auch immer handeln möge.
detail aus "JUNGFRAU UND KIND zwischen DEN HEILIGEN JULIANUS UND NIKOLAUS" v. lorenzo di credi
sich einem menschen anzunähern, heißt wohl immer zugleich auch in allerletzter konsequenz: entzauberung.
zu den vorläufern unserer so genannten ÖFFENTLICHKEIT gehören u. a. die umlaufenden, weitererzählten geschichten, vor druck und buch und papier und zeitung, volksgeschichten, die sich gerade durch die weitererzählung zu einem bezugspunkt für eine ansonsten gar nicht hergestellte überlokale gemeinschaft von sich nicht einmal vom hörensagen kennenden menschen entwickelten. die geschichten waren die mythen ihrer zeit. wir könnten daher sagen, der beginn von so etwas abstraktem, wie es der begriff MENSCHHEIT darstellt, ist der mythos — und daher grundlage jeder identität(sbildung). jeder, der sich gleichwie in der öffentlichkeit professionell zu schaffen macht — heutzutage — von einer website unterstützt, braucht eine VITA: das aber ist ja immer etwas, das einem MYTHOS nahekommt.
jede person ist nur insofern person, als sie eine person unter anderen personen ist. differenz und identität bedingen einander. nur insofern wir uns unterscheiden, gibt es uns (für andere). wir müssen identifizierbar sein, und wir sind identifizierbar, je mehr wir aus einer gemeinschaft heraus zur (differenten) erscheinung kommen. in der christlichen lehre hieße der dafür bereitgestellte begriff epiphanie
die "erscheinung des HERRN" könnte man profanisieren (in "weltdeutsch" übertragen) auf den zur autorität gelangenden, etwas verursachen könnenden menschen: denn in erscheinung treten, heißt ja, in einer gemeinschaft zur präsenz zu gelangen: als eine durch äußerung in wort und tat identifizierbar werdende (differente) person. zuerst ist man nur ein name, aber mit den ersten rufen, ansprachen etc, die dem sich ankündigenden menschen gelten, kommt ein mensch ins äußere, in die "äußerung", eigenartiges beginnt zu entstehen, dann beginnt die zeit, wo aus den namen SPITZNAMEN (nicknames) entstehen. jetzt schürzt sich langsam ein material, aus dem sich geschichten um personen ranken. und wenn wir zudem noch die ursprüngliche bedeutung des lateinischen wortes PERSONA als MASKE in die allgemeine erinnerung rufen, dann wissen wir, dass die maskierung einen aspekt der persönlichkeitsentwicklung bezeichnet.
sich also einem menschen im emphatischen sinn des wortes anzunähern, heißt letztenendes immer so etwas wie entzauberung oder demaskierung. deswegen ist die bewegung der annäherung latent aggressiv. und wird oft auch entsprechend abgewehrt, nicht wahr?