dhonau: mit heruntergezogenen socken


Montag, 11. Oktober 2010


grenze
fraktal
– und
vertrauen

(beachte vor allem die kommentare)


angst, wie alle gestimmtheiten, befindlichkeiten, bewegtheiten, ist, glaube ich, ein (repräsenter) ausdruck energetischer bezogenheit (relativum) oder wechselwirkender bezogenheit (correlativum) des menschen auf seine umwelt. die umwelt verliert den charakter des allgemeinen, sie wird konkret (beispielsweise in dem raubtier, das uns gerade bedroht). verliert die angst den charakter des bezugs auf konkretes (etwa auf ein bedrohliches tier), wird allgemein, dann bekommt die (um)welt im allgemeinen einen bedrohlichen charakter. die diagnose wird dann von einer angststörung sprechen. das eng- und engerwerden (in der angst) entspricht einer "information" an die außenwelt: mich gibt es nicht, ich bin eine verschwundenheit. oder, anders und gegenteilig ausgedrückt, du ungeheuer, du, das sich mir nicht zeigt, aber ich habe dich schon gesehen, hast mich bereits geschluckt, die arbeit ist getan, du kannst weitergehen ...




dhonau, 18:59h
=zeit war`s

grenzenergie   459

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Die Antilope grast. Sie ist ganz entspannt, und sie mampft, kaut, schluckt, in sich gekehrt, zufrieden. Da auf einmal hört sie etwas! Oh! Was ist das? Ihr Nervensystem schaltet von Parasympathisch auf Sympathisch. Adrenalin schießt kurz in die Blutbahn, ihre Muskeln spannen sich an, bereit zur Flucht blickt sie auf, blickt umher, sucht nach der Gefahr, dem Löwen. Doch da ist kein Löwe. Die Antilope verharrt noch ein wenig in der Spannung und sucht mit ihren blicken die Umgebung ab. Nichts. Sie entspannt sich. Parasympathisch grast sie weiter. Kein Trauma, alles gut. Fressen, schön.

Dasselbe Szenario - hier findet sie einen Löwen, und das sympathische Programm läuft weiter, das heißt sie bekommt eine volle Ladung Adrenalin ins Blut geschossen, das Herz schlägt fest, die Angst bringt sie in Bewegung, sie rennt, rennt davon, der Löwe hinterher, sie rennt, zickzack hin und her, alle Energie wird mobilisiert, es geht um das Überleben, die Angst wird in die totale Aktivität umgewandelt. Sie rennt so schnell sie ihre Füße tragen, und sie rennt dem Löwen davon. Völlig außer Atem und am Ende ihrer Kräfte bleibt sie stehen, schnaubt, schüttelt sich, schaut sich um. Sie merkt, sie ist in Sicherheit. Ihr Puls wird nach und nach ruhiger, der Schweiß trocknet, doch die Sinne sind weiter geöffnet, sie lauscht und sie schaut, doch da ist kein Löwe mehr. Sie schaltet zurück auf Parasympathikus. Sie grast weiter. Kein Trauma, alles gut. Fressen, schön.

Dasselbe Szenario - diesmal sind es viele Löwen, sagen wir fünf. Echt beschissene Situation. Wieder die Sache mit dem Sympathikus und dem Adrenalin, das davon Rennen, doch diesmal hat sie keine Chance, denn die verdammten Löwen haben sie eingekreist, und der Kreis wird enger und enger. Sie kommen näher. Verdammt. Das sympathische System ist überfordert, es weiß nicht wohin mit der Energie, rennen funktioniert nicht, es würde sie nur in die Fänge eines der Löwen bringen. Verdammt. Es kommt zu einer Kurzschlussreaktion. Peng. Die Antilope fällt um, stocksteif, das Nervensystem ist quasi implodiert. Die Antilope liegt auf dem Boden wie tot, nichts regt sich, und sie ist ohne Bewusstsein, aus ihrem Körper heraus katapulitert.
Fressen sie die Löwen, so bekommt sie nichts davon mit. Doch die Chance ist recht gut, dass sie heran gelaufen kommen und an dem toten Fiech riechen, es anstubsen und zu dem Schluss kommen, dass man das nicht essen kann. Das wird tatsächlich in der Natur beobachtet. Die Löwen wenden sich ab, verschwinden, suchen sich andere Nahrung.
Eine ganze Weile später dann geschieht etwas Bemerkenswertes: die Antilope beginnt zu zucken, erst vorsichtig, dann heftig und immer heftiger. wie Wellen fährt es durch ihren Körper. Die ganze angestaute Energie, die sich vorher nicht ausdrücken konnte entlädt sich in kurzer Zeit, die Antilope krampft und zuckt und macht eigenartige Geräusche, solange, bis dass alle Energie losgelassen wurde. Und dann ... steht sie auf, schaut sich um, lauscht, merkt, dass alles in Ordnung ist, ihre Muskeln entspannen sich, und sie schaltet zurück auf Parasymphatikus. Sie grast weiter. Kein Trauma, alles gut. Fressen, schön.

Wird nun dieser Prozess, und hier kommen wir zu dem wirklich, wirklich interessanten Punkt, wird also dieser Prozess des Schüttelns und Zuckens und Schreiens unterbrochen, etwa, indem man die Antilope ganz arg lieb festhält und sie beruhigt, ihre Muskeln streichelt und entspannt, so dass sie schneller zur Ruhe kommt, so wird sie das nächste Mal, wenn ein Löwe kommt weit weniger effektiv reagieren können. Vielleicht bleibt sie einfach stehen, oder wartet viel zu lange, bis dass sie in Bewegung kommt, oder vielleicht kommt sie überhaupt gar nie so richtig zur Ruhe, selbst wenn kein Löwe in der Nähe ist.
Man hat ihr den natürlichen Kreislauf Parasympathikus-Sympathikus-Parasympathikus genommen, und ihr System hängt irgendwo dazwischen fest. Trauma. Ziemlich genau so funktioniert das bei uns Menschen. Da kann man sich jetzt auch ganz viele Fragen stellen, zu Kindererziehung, Berufswelt, etc.

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vielen dank!
sehr intressante aspekte zu meinen gedanken, sehr anschaulich, vor allem der absatz "wird nun dieser prozess, und hier kommen wir zu dem wirklich, wirklich interessanten punkt, wird also dieser prozess des schüttelns und zuckens und schreiens unterbrochen, etwa, indem man die antilope ganz arg lieb festhält und sie beruhigt, ihre muskeln streichelt und entspannt, so dass sie schneller zur ruhe kommt, so wird sie das nächste mal, wenn ein löwe kommt weit weniger effektiv reagieren können ..."
das ist ausgezeichnet und markiert die richtung, die mir wesentlich erscheint. super!
herzliche grüße

ps:
das, was ich in diesen zusammenhängen grenzverhalten nenne, entspräche einer bewußt ausgehaltenen unentschiedenheit. ich lasse für diesen realsten weltkontakt dinge zusammen, die lebensnotwendig auseinandergehalten gehören. vielleicht nicht so einfach zu verstehen. aber vielleicht auf dem folgenden umweg leichter: stellen Sie sich einmal vor, und das ist ja ganz real für jeden, der einmal schüler war, sie kennen so texte der deutschen dichtung nur über sekundärliteratur, weil die primäre erfahrung des erst einmal nicht-verstehens nur schwer auszuhalten ist, weil es überall eingeübt wird, als antwortautomat verstehen zu signalisieren: hier bin ich – und da ist das objekt. primärerfahrung ist aber etwas anderes: die schwer auszuhaltende nicht-unterschiedenheit in der erfahrung mit dem erfahrenen. aber ohne dieses moment des nicht-auseinanderhaltens, glaube ich, können wir nur nachrangige erfahrungen machen

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sehr gerne.

üblicherweise wird dieser besagte kreislauf in unserer gesellschaft derart gestört, dass der sympathische teil nicht gelebt wird, dh er wird unterdrückt, weil wir zb die aggression nicht ausleben, weil wir keinen rahmen dafür haben, weil es unangemessen erscheint, und vielleicht weil wir glauben, dass nur verbrecher und ausländer so was machen, mal ganz allgemein gesprochen. in anderen ländern herrscht krieg, da sieht man ja, wohin das führt, denken viele.
schon kinder werden in ihrem ausleben von wut und tränen inhibiert. doch der organismus / das bewusstsein braucht diese wechsel, diese erfahrung des hin und her, des ja und nein, diese bewegung. ich finde, hier kommen wir wieder bei den fraktalen an. wer an einem gefühl / einem gedanken / einer erfahrung festhält bzw es ablehnt, der sondert sich selbst aus dem ganzen ab, aus dem fraktal, dass alles in sich vereint. das lebendige fraktal, und hier schreibe ich das, was ich eigentlich auf meinem blog schreiben wollte, aber bislang nicht formulieren konnte, das lebendige fraktal ist in uns aktiv eben durch diese gelebten wechsel, durch das nicht verhaftet sein, durch die annahme des fließenden charakters des seins. und das schöne ist, dass es nun mit diesem beispiel wirklich physisch ersichtlich wird. das lässt sich greifen, es wird ganz praktisch. viele hängen ständig im sympathikus fest, kommen nicht mehr in die regenerationsphase, schlafen schlecht, verdauen schlecht, usw. burnout. angststörung. vwm.
wenn man begreift, dass es nicht darum geht, diese "krankheit" zu bekämpfen, sie loszuwerden, sondern dass es vielmehr ein ausdruck von einem zustand ist, der nicht zuende gelebt wird, der kontinuierlich auf der stelle verharrt, der integriert werden kann, und der eben durch diese integration das system in einklang bringen kann, durch neu erfahrene vollständigkeit, dann endet das allopathische denken, der kampf gegen die krankheit, und wir widmen uns der gesundheit, indem wir sie erkennen, indem wir achtsam sind und respektvoll mit den verschiedenen aspekten unseres ich im innen und außen umgehen.

in diesem zusammenhang macht es auch sinn, dass die menschen so gerne filme anschauen und bücher lesen - diese erfahrung der gefühle, mit einem spannungsbogen und der auflösung, dem wechsel, dem hin und her, das wir uns selbst oftmals nicht mehr erlauben. dieser wechsel findet sich auch im tag und nacht, dem wir wenig achtung schenken, denn es gibt ja diese lichtschalter, in diesen gebäuden, in denen wir so hart denken usw.
will sagen, anerkennung und respekt gepaart mit wahrnehmung der natur (=alles) rocken total. es ist möglich, die verschiedenen rhythmen des lebens zu erfahren und in sein handeln und fühlen zu integrieren. das ist das lebendige fraktal in uns.

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alles, was dich hier ...
unter dem stichwort fraktal bewegt oder zu bewegen scheint, hat mich zu dem begriff der grenze (als einem "ort", der diversifizierung, der unterscheidung, der trennung prozessiert — aber ebenso eine brücke, ein zusammen, ein sowohl-als-auch ist. daß jedes lebewesen medial disponiert ist, insbesondere der mensch, liegt daran, daß er auf dieser grenze stattfindet zwischen leben und gelebt werden, zwischen dabei sein und zugleich "draußen" stehen (EXistieren). das fraktal wäre so gesehen wohl so etwas wie ein integral dieses drin- und draußen-seins, dieses sich selber und zugleich außer sich seins: wir dürfen die begriffe nicht (aus dem blick) verlieren als deFINiertes (finis=grenze), aber zugleich kommen sie durch einen (sozusagen fraktalsicheren) alltäglichen gebrauch in fluß. es geht also um eine geschmeidigkeit (grenzkompetenz), die nur aus einem vertrauen in sich und seine natur kommen kann.
vielen dank für deinen fraktal-aspekt, der ja auch in der mathematik den begriff der dimension gesprengt oder erweitert hat.

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vielen dank auch, dass du mit deinem beitrag diesen text in mir wach gerüttelt hast.

liebe grüße :)

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zu deinem ps:

die letzte aussage darf hervorgehoben werden. die ist super!

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ps
und nach deinem ps deine erläuterung zu der grenze zu lesen ist auch ganz fein, übrigens. habe eben bei der betrachtung des fußballspiels einige fans gesehen, die ganz und gar nicht-auseinander-halten, scheinbar chronisch und wollte mich daran machen, hier kreativ zu werden, aber sieh an, dein text sagt das schon alles.

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oh! Thema Angst
ich habe mich auch mal mit meinen Ängsten "malerisch" auseinandergesetzt und darum begeistert mich die Diskusion von euch zwei. ein Wermutstropfen beim Lesen ist die sehr kleine Schrift, aber ich kämpfe mich da mutig durch! hmm..hätte ich all das gelesen, bevor ich meine Angst gemalt habe...mir scheint, die Bilder wären anders. *grübel*

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schon
korrigiert

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aber die ...
malende auseinandersetzung mit dem thema ist für die seemuse vielleicht die angemessenste. vielleicht wäre mir nach der betrachtung dieser bilder mehr oder anderes eingefallen.
ich finde es schön, wenn die künstlerisch-anschaulichen und die begrifflichen "formen" sich gegenseitig gelten lassen, denn sie haben (im allgemeinen) den gleichen rang (was den grad ihrer möglichen komplexität [umgangsprachlich würde man wohl sagen: tiefe] angeht), nur sind sie nicht (oder nur mit großem verlust) ineinander übersetzbar; d. h. natürlich nicht, daß sie sich gegenseitig nicht befruchten könnten, im gegenteil. sehr erfreut über deine bemerkung zeigt sich
dh.

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ich möchte in dieser gelegenheit erwähnen, dass deine künstleriche ausdrucksfähigkeit, liebe seemuse, die du öfter deine schriftstellerischen fähigkeiten bemängelt hast aus meiner sicht beneidenswert sind. wahrnehmungen und erfahrungen und impulse so wort-frei ausdrücken zu können ist ein geschenk, ganz wunderbar. ich finde das ganz toll, was du machst und kannst.

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dankeschön an euch beide
:an herrn dhonau für die grössere schrift. ein kleinnwenig ists mir ja jetzt unangenehm. du machst ja dein layout so wie es dir gefällt und da komm ich blindes huhn und bemängel es. ich käme schon zurecht mit der fuzzikleinen schrift...bla bla..danke (;
:ein bescheidenes danke an ttom(:
bestimmt würden meine angstbilder heute anders aussehen. weil viel zeit vergangen ist (ich hab sie2006 fertig gemacht und hergezeigt), weil ich mich verändert und "dazugelernt" habe.
ich glaube sogar, ich könnte sie heute überhauptnichtmehr malen.

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ich finde das hier gespräch so wichtig, daß ich schon aus diesen gründen die lesefreundlichkeit verbessert habe

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