dhonau: mit heruntergezogenen socken


Donnerstag, 18. November 2010


(hvs-63)
leben auf der grenze (seiner sprache)
oder: die erfindung von INNEN- und AUSSEN-WELT

der aus den zeiten
herausgefallene
freiher v. u. z. scheußenbach
ich befinde mich vermutlich in der mitte meines lebens. immer häufiger aber ertappe ich mich dabei, irgendwo unterwegs, nicht mehr zu wissen, wo ich hinwill, und ziellos durch die strassen zu trotten. ich scheine dann von nichts anderem getrieben zu sein, als nur irgendwie an einen ausgang zu kommen.
die mitte, das ist der ort, wo alles in den blick kommt, ein grauslicher ort, ein dazwischen, ein auseinander, ein zusammen, bruch und brücke zugleich, der ort der erinnerung schlechthin, und doch fühlt sich ein mensch nirgendwo mehr draussen. in der mitte kommt alles zum stehen, der jähe tempoverlust lässt einen herausfallen, aus dem leben, aus der zeit, aus der verbindung mit den mitmenschen.
die frage ist, muss das erzählt werden, muss das aufgeschrieben werden, vor mich hingestellt sein; muss ich herauskommen, von dort draussen, und aus dieser meiner fremde herabschauen können – auf das buch[1], in es hinein.
ich muss in diesem buch[2] an den anfang kommen, meinen anfang, dem heiligen moment des aufkeimenden einbrechens in diese – welt.
  1. oder a. weblog
  2. was ist denn ein buch dieserart anderes, als ein nicht vollendbarer versuch, sein leben wie von außen abzurunden, gestalt zu verleihen




dhonau, 08:46h
=zeit war`s

herr von scheussenbach   497

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keineswegs grausam ...
aus der Lemniskate des Lebens
tauche ich in den Mittelpunkt
und fülle meinen heiligen Gral.

...unendlich wertvoll

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ich bleibe oft sprachlos zurück, hier.

"ich muss in diesem buch[2] an den anfang kommen, dem heiligen moment des aufkeimenden einbrechens in diese – welt."

will man das können?

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tja ..
kompliment: die einfachsten fragen sind doch immer noch die besten. natürlich kann ich in dem buch nicht an den anfang kommen – des buches, denn der ist ja schon mit dem ersten satz gesetzt. aber, wenn wir den z. b. den anfang des (insonderheit: eigenen) lebens meinen, dann ist damit ja die zeit angesprochen bei der wir (per bewußtsein) am wenigsten dabei waren. wir sind also in die lage versetzt – wenn wir uns unser leben erzählen wollen, unser beginnen, etwa in einem (lebens)buch – etwas auszuwählen, womit wir (sagen wir: leitmotivisch) ins leben gerufen sind, das setzt natürlich ein selbstverständnis, ein selbstverstehen voraus, indem wir das tun, fangen wir auch schon an unserem leben eine gestalt zu geben: wir beginnen uns sozusagen in einem zweiten anlauf. ein buch könnte also auch von dem interesse geleitet sein, einen solchen zweiten beginn (im gegensatz zur eigenen geburt) für sich zu finden.
will man das können?
was vitalisiert dich? was hat dich immer begeistern können? was hat deine lebensgeister geweckt?
laufen diese fragen nicht letztlich alle auf die frage nach d(ies)em anfang hinaus, danach, wie ein mensch als dieser konkrete eine mensch begonnen wurde. und auch, wie dieses passivum "begonnen wurde" ins aktivum, sich zu beginnen, sich immer wieder aufzumachen, (immer wieder sich) aufzubrechen, die quelle seiner vitalkräfte zu entdecken.

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ja, darauf laufen die fragen hinaus.

meine "zweifel" begründen sich darauf, dass wir den anfang erlebten, aber im nachhinein bestenfalls beschreiben können. könnten wir über die "totale erinnerung" verfügen, wir würden unabhängig vom tatsächlich erlebten (und empfundenen) bis zum jetzt - der mitte unseres lebens - uns noch erklären und interpretieren. der widerspruch ist aber auch der reiz.

der reiz ist: erleben, zurück und nach vorne schauen. den anfang zu suchen, weil es ein ende gibt. nicht aufzuhören zu beginnen. entdecken um zu verstehen. und, die weichenstellungen zu kennen und immer wieder neu vorzunehmen (zu wollen).

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unseren anfang haben wir eben nicht erlebt (im nachdrücklichen sinn des wortes).

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ja.
da haben sie recht, vielleicht. vielleicht entzieht sich das aber nur unserem bewußtsein.

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natürlich sind die begriffe erleben und bewußtsein korrespondent. d. h. erleben ist eine kategorie des bewußtseins. (selbst)bewußtsein – so wird die einflußmöglichkeit, die selbstbearbeitungsmöglichkeit, die selbstreferenz des individuums genannt. sein leben zu erzählen ist kein freizeitsport, das merkt man, wenn man beziehungen knüpft. jede person, mit der man nachhaltig in beziehung tritt, stellt irgendwann (direkte oder indirekte) fragen nach unserer biographie (unter den für die art der beziehungen [wirtschaftlich-berufliche, gesellschaftliche, private etc.] relevanten aspekten). die antworten geben dann ja nicht das eigene leben (unmittelbar) wieder, sondern liefern ja eine schon "gestaltete" (mittelbare) fassung des eignen lebens. wer zum beispiel eine(n) beruf(sausbildung) wählt, tut das, indem er sich aus der sicht seines mehr oder weniger verarbeiteten lebens (=selbstdeutung) als jemanden anschaut, der da oder dorthin geneigt gewisse befähigungen signalisiert. jede entscheidung, die wir treffen, gibt auch auskunft darüber, welche auffassung wir über uns selber haben. je grundsätzlicher wir das tun, ob nun bei einer lebenskrise oder aus anderem anlaß, desto mehr gerät unsere erzählung ins buchhafte. wir suchen unser leben ganzheitlich und in allgemeinen überindividuellen zusammenhängen zu einer ganzen erzählung zu machen. es geht dabei nicht zuerst darum, ob wir uns (und anderen) ALLES erzählen, sondern was wir als erzählenswert wähnen, als allgemein von belang. wir geben unserem leben dadurch eine (informelle) gestalt, das ist bestandteil der selbstorganisation. wir bauen uns erzählend, das ist kreative arbeit, kein plattes abbilden von unterkomplex verstandener wirklichkeit, das erzählen ist bestandteil einer prozeßhaft (im gegensatz zu einer statisch) verstandenen wirklichkeit. wie jeder und was jeder von sich erzählt ist kein additiv, kein obendrauf auf seine wirklichkeit, sondern gehört zu seiner wirklichkeit, das ist reale dialektik; jeder gedanke, überspitzt gesagt, den ein mensch über sich hegt, schlägt sich zu seiner wirklichkeit dazu. usw.

natürlich werden dinge, die ja mehr oder weniger wie von selbst geschehen, durch ihre grundsätzliche befragung oder deren elementarer untersuchung dann scheinbar erst einmal komplizierter. aber wer den zugriff (access) (=bewußtsein] des menschen auf sich selbst (des menschen realität] verstehen will, lernt, daß ein mensch sich in dieser komplexität, in dieser verschränktheit mit sich selbst, durch seine sprache (die ein ICH [SUBJEKT]hervorbringt, das aussagen über GEGENSTÄNDE [OBJEKT] macht) von anfang an befindet. denn der mensch ist das sprache habende wesen. sprechen heißt sich zu ÄUSSERN. durch sprache entsteht erst, was wir als die trennung zwischen INNEN und AUSSEN empfinden. die sprache organisiert diese unterscheidung zwischen empfundener und vorfindlicher welt. etc und so weiter und sofort ...

vielen dank, lieber kopfschüttler (wenn ich Sie ausnahmsweise so nennen darf), für die Ihre frage, die ja zwischen befremden und interesse angesiedelt zu sein scheint. STAUNEN aber ist ja wohl immer ein sehr ambivalentes gefühl, aber auch der uraffekt des philosophierenden lebewesens. Ihr (blog)name kommt hier zu seinem besonderen recht. oder nicht?
:)

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aber, was
wenn das nicht über sprache ginge?
1) keine sprache
2) noch keine (ausreichende) sprache (das vermögen, sich auszudrücken ...), oder leider noch unzureichende "sprache"

wir sind auf unsere eigenen interpretationen angewiesen.

staunen ist mein programm.
desterwegen bin ich hier ;-)

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