dhonau: mit heruntergezogenen socken


Montag, 26. März 2012


das eigene und das größere ganze:
unterstützung und organisiertheit

(überarbeitete neuedition – vgl. eintrag v. 25.5.2011)


heute morgen hatte ich im halbschlaf, auf halbem weg zur wachheit, eine idee, irgendwas mit helfen, was genau, weiß ich jetzt nicht mehr, aber was ich noch klar erinnere war, daß ich sie ganz gut fand. helfen und glaube ich unterstützen war das wort gewesen, das dabei eine rolle spielte, ja, genau, ich stütze mich irgendwo ein, daß es nicht zusammenkracht; — klingt irgendwie brachial, so diese vorstellung, fest eingefügt zu sein, nein, das klingt doch ziemlich zwanghaft, nicht?

UNTERSTÜTZEN – das klingt auch nach stützpfeiler, pilaster, säule.
vermutlich war der traum, aus dem halbwachen heraus ins bewußtsein gekommen, eine nachbereitung meiner beschäftigung mit dem italienischen renaissance-baumeister und bildhauer BRUNELLSCHI, berühmt vor allem auch durch den kuppelbau des florentinischen doms und dem FINDELHAUS ("ospedale degli innocenti"), sozusagen eine erste einrichtung für ausgesetzte kinder und babies, also eine art babyklappe.

in der renaissancearchitektur spielt die säule eine große rolle. auch insofern, als die renaissance in der tradition zur antike eine (vgl. den begriff humanismus) starke bezogenheit zum menschen als INDIVIDUUM wie auch als (stadt)bürger (seine urbane organisiertheit als soziales wesen) hatte.
so ist von brunelleschi die architektur eines gebäudes auf die piazza (stadtplatz) hin gedacht. schon insofern ist diese architektur politisch zu verstehen.
die stützende säule, wie wir sie in den griechischen tempeln finden, ist nicht nur ein tragendes element dieser architektur, sie löst sich aus diesem kontext, etwa als blendsäule, und gewinnt dadurch abstraktere möglichkeiten.
der antike bezug von säule und statue ist offensichtlich.

im findelhaus als einer renaissancearchitektur, bei der die säule in arkadengängen natürlich eine außerordentliche rolle spielt, ist nun der bezug des stützens auch ins soziale gewendet. der gliedernde aspekt der säulenarchitektur verbindet sich schon begriffslogisch mit einem – organisierten/ organhaften – ganzen (der stadt und des stadtplatzes)
so jetzt hab ich die idee langsam wieder: in diesen baulichen zusammenhängen erscheint der begriff stützen rsp. auch helfen/ hilfreich sein in einem systemischen ganzen.
das helfen würde in dieser weise der sozialen organisationsintelligenz zugerechnet werden, nämlich sich in einen überindividuellen zusammenhang sehen zu können.
helfend sein soll also der mensch in dem sozialen kontext, in dem er sich befindet und in dem er seinen bezug zu dem sozialen ganzen erkennt.
zugleich wird in diesem gedanken die dialektik von helfen/ stützen klar. wer hilft kommt in die senkrechte des aufgerichteten, ihm ist also selbst geholfen, wenn wir in dieser senkrechte, dem AUFRECHTSEIN, die idee der würde gespiegelt finden.
individualität bedeutet in diesem renaissance-sinn eine gegliederte, konturierte stellung zu einem sozialen ganzen zu verkörpern. ohne diesen überindividuellen ("stützenden") aspekt ist individualität eine form von desorientiertheit.

so ungefähr ließe sich eine verbindung zur renaissance herstellen, um individuum und soziabilität in ihrer "wechselwirklichkeit" begreifen — und nicht zuletzt auch, um aus dieser modernen verwahrlosungsanfälligen individualität herausfinden zu können. denn das wird immer mehr zu einem großen thema unserer zeit werden, davon sind wir von den dhonau-werkstätten außerordentlich überzeugt.


dhonau, 00:29h
=zeit war`s

renaissance   536

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Dankeschön
für diesen konstruktiven Gedanken. Das hat was, in dem ich, so ich es wie Sie verstehe, die Möglichkeit uns als Säulen zu konstituieren, uns auszurichten. Das sähe dann sicherlich nicht so geordnet wie in Florenz oder Padua aus, aber Hauptsache, es hält das Dach. Darin liegt aber auch eine Art Unbeweglichkeit der einzelnen Säule. Ein wenig in diese Richtung geht das ja nu auch hier bereits, wo wir uns gegenseitig stützen und zurechtrücken.
Zumindest mal ein anderer Ansatz als der von der ewigen Demokratie. Leider stehe ich mit der Renaissance ein wenig auf Kriegsfuss ...

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ja, die ...
renaissance ist ja auch keine erlöserzeit, nicht wahr, kein muster des so geht richtiges leben ..., nein, aber, wenn wir moderne gesellschaften und moderne individualität begreifen wollen, dann schadet nicht ein verweilender blick auf die sog. renaissance und den sog. humanismus (auch gegen bildungsbürgerliche vorstellungen); gerade die illusion immunisierender kraft humanistischer bildung ist ja zu einem großen thema nach den weltkriegen und dem holocaust geworden.

das spricht ja nicht gegen eine beschäftigung mit der renaissance, in der zum beispiel die kunst beginnt sich von kirche und christentum zu lösen etc.

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ja, die unbeweglichkeit ...
von statuen und säulen ist durchaus ein thema, wenn wir zum beispiel an die raumgewinnung durch die dynamisierende idee der sozialen plastik denken oder, ja, auch an die idee wittgensteins, daß die bedeutung(en) eines wortes mit seinen gebrauchsweise(n) identifiziert werden.
wir sehen hier auf sehr verschiedenen ebenen die fortgesetzte befreiung des sozialen in den raum, den menschen beschreiben durch ihre beziehungen zueinander

es geht also nicht darum, starre prinzipien, seien sie aus der renaissance oder anderswoher, abzuleiten, die ALLES erklären, sondern unsere moderne welt auch in ihren konstitutiven aspekten, also gewissermaßen von ihren wurzeln her zu verstehen etc.

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der david,
die berühmte statue des michelangelo, ist eine feier des aufgerichteten menschen, der gegen seine unterworfenheit durch schicksalsmächte und obwaltende naturkräfte aufsteht, den horizontfähigen blick einnimmt und in der freien hand das instrument seiner spekulativen erfindergabe etc etc

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Raumschaffung für Soziabilität
Ihre letzten Blogeinträge haben in mir die Mauern eines Gefängnisses eingerissen und sich für mich ein völlig neuer Gedankensäulengang erschlossen.

Beim Umschleichen einer der Säulen der ersten Babyklappe (dem Ospedale degli Innocenti in Florenz) kam mir auf Ihre Anregung hin der Gedanke eines beweglichen Säulenträgers - grob gesagt, einer Art UniversalAtlas einer getragenen Ethik.

Der Spruch "Kein Dach ohne Säulen." soll in Führungskreisen existieren. Wir aber wissen wohl, daß es den berühmten "Siemens-Lufthaken" schon lange gibt und sich ein Dach auch einfach an etwas Übergeordnetem aufhängen läßt - ganz ohne Säule. Das soll uns jedoch nicht schrecken, die wir an einer Synthese des Eigenen und einem größerem Ganzen zu basteln. Unterstützung und Organisiertheit werden vorerst unsere wesentlichen Ankerpunkte bleiben.

Wie Sie "zurechtstellen", hat die Renaissance neben den Banken auch das Säkulare auf ein bis heute, wenngleich bröckelndes, Fundament gestellt. Zugleich wurde mit dem David durch Michelangelo bereits auch ein Protest gegen jenes gefrässige Ungetüm der Fiskalkraken, witzigerweise in Marmor, geschaffen. Ganz wie Sie bemerken, ein Protest gegen die Medici. Spekulativ gesehen könnten auch diese selbst es gewesen sein, die eben jenem David (meines Wissens, dem ich derzeit noch keine Belege liefern kann) die Hand abschlugen als es auf der Terrasse des Palastes der Signoria zu größeren Tumulten kam. (Fast zur gleichen Zeit, 1505, erhielt übrigens der Ritter Götz von Berlichingen eine eiserne Prothese für seine abgeschlagene Hand.)
Sehen Sie meine Polemik gegen die Renaissance einfach als Stilelement der hartenlinie - ohne tiefere Bedeutung. Ein schlichtes Späßchen.

Ein bewegter Säulenträger, eine flexible Stütze mit Freiheiten, ganz im dynamischem Sinne Wittgensteins. Natürlich keine Säulen auf Rollen, wie sie durch unsere politische Parteienlandschaft zu Genüge repräsentiert werden. Ich denke da eher an Luftkissenboote, an dynamischen Auftrieb wie ihn vielleicht ein modernisierter Futurismus fördern könnte, an thermodynamische Umtriebe ...

Ach, Sie haben mir da ganz neue Welten erschlossen und ich würde mich sehr freuen, diese Thematik noch mehr zu befeuern. Dankeschön.

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Wunderbare Dhonau-Auen
Wieso sind ausgerechnet diese beiden Stützpfeiler stehen
geblieben?
Die Unterstützung, das Aufrichten.


Unterstützung. Entlastung, eine Phase, in der Überschusskräfte gebildet werden? Nicht alles tragen müssen? Nicht zwanghaft in ein System eingepfercht zu sein?

Was bedeutet Aufrichte für Sie? Würde. Selbstbewusstsein, den richtigen Platz gefunden zu haben?

Jetzt weiß ich, warum Sie nur zwei Säulen aufgestellt haben.
Eine Kathedrale wird eben nicht an einem Tag erbaut.

Und ich habe Ihnen eine Landebahn für den Airbus A380 vor die Füße betoniert.
Es war so einfach den roten Button zu drücken.
Einen kleinen Waldweg eingeschlagen, in Erwartung auf den, für das Auge so wohltuenden Wiesengrund, traut er seinen vom Lenz frisch erweckten Sinnen nicht.
Welch aufgeblasener Städterer "verschandelt" sein dezent angelegtes und viel geliebtes Auenland!

Diese Vorstellung ließ mich meinen Bauplan aber ganz schnell wieder zusammenfalten.

Viel lieber betrachte ich Ihren mäandernd angelegten Flusslauf.
Verzeihen Sie mir.

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... leider habe ich Ihren Kommentar erst im Nachhinein gelesen und sehe Ihre Kritik am Dach als durchaus berechtigt. Um die Schäfchen ins Trockene zu bringen? Um nicht naß zu werden, wenn es regnet, und keine Beulenpest zu bekommen, wenn es hagelt? Sie sind mir so eine Anarchistin, möchte ich mal mutmaßen. Dem sei mein voller Respekt gezollt. Kaum sind die Grundmauern nur erdacht, schon kommt der Preßlufthammer und durchlöchert wieder die Hoffnung. Wie sollen wir denn zusammen leben, wenn ich das mal so platt fragen darf? Mit der Schlinge der Dekonstruktion um den Hals gewickelt? Wie Sie so schön schreiben: wo Schatten, da ist auch Licht, oder etwa nicht?

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die Aktivistin
in Ihnen bittet ganz schön zur Kasse.
Nicht nur Licht und Schatten fielen im Sinne der Renaturierung.

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ich danke Ihnen auch für diesen Kommentar
Danke. Mich regt gerade diese Unterhaltung sehr an. Erst das macht aus mir eine Aktivistin. Habe im Sinne, solche Unterhaltungen auf eine neue Ebene zu heben, was wir nur schaffen, wenn wir mehrere Säulen sind und die Balance halten.
Dass ich Kasse bitten würde, weise ich von mir, es liegt ganz bei Ihnen was Sie in den Hut schmeissen ;)

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