dhonau: mit heruntergezogenen socken


Dienstag, 12. April 2011


POESIE + MACHT

noch einmal die (erweiterten) gedanken
zum fahrstuhl-(paternoster)paradigma


VATER UNSER

die mächtigkeit des vaters


paternoster – die anrufung des VATERs steht natürlich auch für eine patriarchalische geprägtheit. der vater aber ist nicht nur der inhaber der macht, sondern auch ein dienstleister. und das, was einen mann in einer patriarchalischen welt besonders befähigt, patriarch zu werden, ist materielle kompetenz, schützende autorität und gesellschaftliches standing. wir könnten auch sagen: er gibt seinen schutzbefohlenen – ein eigentümlicher, aber aussageträchtiger begriff – sicherheit und halt im sozialen dschungel.
PATER NOSTER ist eine neuauflage des hier, in diesem blog, unter demselben titel in leicht veränderter fassung edierten gedichtes.
es ist kein konzeptgedicht, zumindest ist es nicht unter in der hier ersichtlichen formidee verfaßt worden. es ist im wortsinn ENTSTANDEN und im verlaufe seines mehrschichtigen entstehens auf diese idee zugelaufen. die kontradiktorische verschränkung von form und inhalt verleiht ihm eine dynamik, trotz der jedenfalls vergleichsweise monotonen "fahrstuhldiktion".
wie es für einen professionellen witzeerzähler tabu ist, die pointe seines eben zum besten gegebenen witzes zu erklären, so sollte auch ein autor seinen eigenen text nicht selber "vor"interpretieren.
zum einen deswegen, weil er in sein eigenes werk vertrauen haben sollte und es, wie man so schön sagt, loslassen. und zum anderen sollte er dieses vertrauen auch seinen lesern gegenüber haben.
ich breche dieses tabu, weil es mich nicht wirklich schert – und weil meine eigene neugier mich auf dieses glatteis treibt, wenn es sich denn als ein solches herausstellen sollte.
dieses gedicht ist verhalten, weil es nicht einfach loslegt, sondern erst wie in einem vorwort über die eigene gattung spricht, bevor es dann gewissermaßen doch nicht zur sache kommt.
vielleicht hat der verhaltene gestus dieses gedichtes ja auch den grund, daß der autor es eher vermeiden will, ein gedicht zu schreiben, vielleicht, weil es sich für ihn nicht schickt, sich wie ein lyriker gehen zu lassen. damit ist unterstellt, daß es zum psychogramm eines lyrikers gehört, sich öffentlich gehen zu lassen.
tatsächlich setzt sich der autor seinem publikum doch mit jedem text aus, aber dies gilt doch ganz besonders dann, wenn er mit einem gedicht in die arena steigt.
das hier vorgelegte gedicht ist die vermeidung eines gedichts. wir erklären das einfach zu einer allgemeinen ästhetik in einer phase universeller verlegenheit.
jeder exhibitionismus sollte mit einer brise scham gewürzt sein — sagt ein drei-sterne-koch.
ein anderer aspekt der artifiziellen vermeidung in unserer ästhetik läßt sich wie folgt darlegen: so, wie manche modernen menschen keine kinder mehr in die welt setzen wollen, weil sie das nicht verantworten zu können glauben. entweder ist ihnen die welt zu schlecht, oder sie sind sich als eltern nicht gut genug.
dem hier agierenden autor ist das selber alles höchst unklar.
zum phänomen des sich aus-setzens gehört existenziell naturgemäß das bedürfnis nach halt. damit sind wir beim folgerichtigen inhalt des gedichts, das dieses bedürfnis artikuliert.
der fahrstuhl in seiner variante des rollierenden paternosters beschreibt eine wiederkehrende kreisbewegung. diese wiederkehr etwa in den 4 jahreszeiten, von tag und nacht, von ebbe und flut usw. gibt dem leben eine form, das wir zu leben haben. schon insofern ist die bewegung eines paternosters für die aussetzung eines gedichts nicht mehr ganz so entlegen. dennoch kommt doch jedes leben nur in der existenz-behauptung zu sich selber, gegen die niedertracht seiner verallgemeinerung zu der einzigartigkeit, die wir mit der würde jedes lebewesens verbinden.

wenn wir uns noch mit dem seltsamen begriff des paternosters als bezeichnung für einen fahrstuhl beschäftigen, kommen wir vielleicht noch einen schritt weiter, die relevanz des themas zu erschließen.
wie bekannt, ist pater noster sowohl der anfang wie der titel eines gebets, dem vaterunser, also dem christlichen gebet schlechthin.
ein gebet ist immer die anrufung gottes, die ihren sinngebenden ursprung einer existenziellen bedrängtheit entsprungen ist. man ruft ja nicht nach gott, weil man gerade lust hat, den boss zu sprechen. der mensch betet seinem primären impuls nach wohl dann, wenn ihm die muffe geht.
der hier etwas unangemessen flapsige ton mit den entsprechend geläufigen wendungen à la muffe-gehen, gibt das gegensätzliche verhalten gegenüber ängsten und angst überhaupt wieder, nämlich die affekte kleinzuhalten.
die entlehnung des ausdrucks paternoster liegt einer etymologischen vermutung zufolge für die bezeichnung eines offenen, durchlaufenden fahrstuhls in seiner formalen ähnlichkeit zum rosenkranz, der christlichen gebetskette.
damit haben wir einen anderen aspekt für den behauteten zusammenhang mit den existenziellen ängsten, also mit der angst überhaupt.
die litaneihafte wiederholung ist ein symptom von angst, wir sprechen von zwangsverhalten, also der unfreiwilligen fortgesetzten wiederholung ein und desselben, oder sie ist als bewußtes gebetsverhalten eine gleichsam therapeutische beruhigung.
in diesem gedicht äußert sich die beruhigung als eine projektion in das und auf das gedicht in dem wort: HALT, das hier als dialektisches gelenk fungiert. halt, im (fahrstuhl)sinne von stop! – und als bedürfnis in der bedrängtheit nach einem gleichsam starken arm, nach HALT eben.
das gedicht überträgt (sendet wie ein sender) also sozusagen die allgemeinste form, die gegenstandslose, also existenzielle angst, die lebensangst.
das gedicht wendet sich aber nicht wie das gebet und die gebetsmühle oder der rosenkranz an gott, sondern es spricht zu uns, den mitmenschen, den lesern, indem es diese unsere existenzielle bedürftigkeit gewissermaßen auf sich nimmt.
stop, halt im sinne von innehalten, und sich in diesem tiefsten aller menschlichen bedürfnis nach halt zu zeigen, nämlich eben nicht sozusagen vor allen leuten, sondern in einer sphäre des innehaltens.
vater unser – noch einmal

zur mächtigkeit des vaters


paternoster – die anrufung des VATERs steht natürlich auch für eine patriarchalische geprägtheit. der vater ist ja nicht nur der inhaber der macht, sondern auch ein dienstleister. und das, was einen mann in einer patriarchalischen welt besonders befähigt, patriarch zu werden, ist materielle kompetenz, schützende autorität und gesellschaftliches standing. wir könnten auch sagen: er gibt seinen schutzbefohlenen halt.
wir sehen einen mächtigen schatten auf der existenzpoesie unseres gedichtes lasten. und das ist, wenn man so will, der größte gegensatz zur (poesieträchtigen) rede vom ausgesetztsein des individuums:
MACHT + SELBSTERMÄCHTIGUNG.
aber ohne dieses un-thema kann es keine belangbare aussage zum thema mensch geben.

die hier implizit thematisierte bewegung von der den schicksalsmächten, den kosmischen geschehnissen unterworfenen existenz, die den inhaber dieser macht im gebet um gnädige gestimmtheit bittet zum heldischen individuum, das sich selbst ermächtigt, sich zum patriarchen, dem gott auf erden sozusagen, aufmacht bis hin zum bürger, in coexistenzieller, demokratischer organisiertheit beschreibt den weg in unsere zeit. die frage stellt sich in unseren tagen, was zeichnet ein INDIVIDUUM heute aus, das nicht in der einzigartigkeit, sozusagen im SUPERSTAR-modus den gipfel erklommen zu haben glaubt, sondern sowohl verantwortlich in führung gehen kann wie auch als konzertmusiker an gemeinschaftserlebnissen interessiert ist.

wir haben hier auch die dialektik vom konturierten individuum, das sich und vieles anderes haben möchte, das an plänen, zielen und umsetzungen interessierte wesen und dem mitschwingenden wesen, das im mitsein sozusagen eine vom ÜBERINDIVIDUUM alias gott befreite religiosität lebt.




dhonau, 19:21h
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