dhonau: mit heruntergezogenen socken


Sonntag, 1. Mai 2011


kloaken-glamour

chuck liebt seinen sohn, spricht das aber nicht
aus, damit es wahr wird



[ das interessante am begriff der liebe ist das wort (als bezeichnung/ "belautung" rsp. als schrift-/ schallcodierung selber, insofern es nämlich durch seine VER- oder ANWENDUNG die liebe zwar nicht außer kraft setzt, aber doch immerhin das aus dem blick/kopf nimmt, was sie sein soll (und schon haben wir, die hervorbringer dieser zeilen, das selber nicht mehr "auf dem schirm") – systemische klugheit sozusagen; die sprache eines menschen läuft innerhalb und zugleich außerhalb seines bewußtseins, sodaß wir gottseisgedankt und -geklagt nicht wissen, was wir ALLES (mit)sagen, wenn wir etwas sagen.
das am rande.

liebe zu empfangen ist nicht leichter, als sie zu geben (sagen wir wie um eine gesprächspause zu füllen); das wort liebe muß darum ins nebulöse herunter- oder wohin-auch-immer-moderiert werden.
wie um alle wörter muß besonders auch bei solchen wie liebe ein gewisser nebel der unbestimmtheit im spiel bleiben, damit es seinen sinn in der alltäglichen anwendung nicht ganz und gar verliert damit es überhaupt anwendbar bleibt. (wir sind SICHERER im gebrauch ein wortes, wenn WIR WISSEN, daß KEINER so GENAU weiß, was es bedeutet.)
so gesehen könnte man sich fast den ganzen zirkus sparen – das reden wie das leben.
aber sparen ist eine zwar manchmal sinnvolle, aber im allgemeinen zugleich auch stupide angelegenheit. ]




wondratscheks neues, eben jetzt, frühjahr 2011, erschienes buch beginnt mit einem gedicht, das er selber geschrieben hat (1974!). es heißt WARUM GEFÜHLE ZEIGEN (in CHUCK' S ZIMMER)

chuck ist ein WRITER wie ein beatnik, aus dem cut-up-realismus entsprungen, weltkritisch aus gestalterischer wahrnehmung.
was is'n das denn?
jede wahrnehmung ist wie der schuß aus einer kamera – eine DEZISION.
was ist das?
aufnahmetechnik: ein geschnipsel, riß und anschluß zugleich. kein dann-und-dann-erzählen.
dichter zu sein, ist gepflegte nervosität, heißt, vieles gar nicht auszuhalten, aber auch, alles übergangene, weggeschubste zu beleuchten. kloaken-glamour sozusagen.

diese dichter schneiden, was geht, heraus. auch mit drogen. alles wird gebaut aus träumen, wie sie im umlauf sind, diese träume, flach, oberflach, alle erfassend, mein gott, nicht zum aushalten.
die allgemeine paranoia der fußgängerzonen hat auch etwas beruhigendes für einen nervösen poeten, vermutlich, in denen alle so was von oberbeschissen aussehen, man kann nicht sagen, wie, mein gott, irgendwann wird man kotzen müssen, cut-up, das ist die reellste aller realitäten.
die eß- und freßgestörten, wandelnde knochenskelette und fette tonnen, keine gesichter, das ist beatnik literatur. wenn alles in ein- und dasselbe gefühl getaucht ist, das der poet sich zugelegt hat. seine große stärke ist, daß er die fluchttür selber ist, durch die er jederzeit verschwinden kann. wenn er zurückkommt, hat er die nase voll, ist gut drauf, flezt an einer bar herum und verzichtet auf die sätze, die anderen einfallen, wenn sie sich, miteinander redend, aus dem weg gehen. das einzig gemeinsame hier in dieser bar in schwabing, wo die filme gedreht wurden aus den schnipseln, die die anderen wegwerfen. nicht, daß alle welt sofort sieht, daß wir auf dem letzten loch pfeifen.

die 2 letzten zeilen des besagten alten wondratschek-gedichtes lauten:

"Chuck, der sein Kind liebt,
das nie zur Welt kommen wird."

der eigentliche (prosa)text beginnt mit der kapitelüberschrift:

"Einunddreißig Jahre später ..."

meine damenherren, Sie müssen sich vorstellen, so ein schwabinger cut-up-poet und liebhaber des boxsports und der bordellwelten, der ist in die jahre gekommen, läßt sein erzähler-ich, sein poeten-ich aus dem affenkäfig heraus, er und es wollen endlich raus aus dem cut-up-dichter-leben, wollen so sein wie-du-und-ich. aber dafür brauchen sie dich und mich-und-sie-die-vielleicht-auch-endlich-mal-mutter-werden-will.

heute ist chuck VATER, nicht
nur SCHÖPFER von gedichten. der chuck mußte herunter von den drogen und fand diese eine frau, die er benutzte, weil er spürte, mit ihr könnte es gelingen, von der droge, dem koks, herunterzukommen. und sie, diese frau-wie-alle-frauen, wollte einen mann, mit dem sie eine familie gründen könnte. und das ergebnis war das zweite geschenk, wenn das erste geschenk die frau selber gewesen war, nämlich der sohn, den ihm diese frau SCHENKTE; der war zuerst nur wie eingeschenkt, aber dann war der da aus heiterem himmel und im angesicht des nutzlosen asozialen poeten so defensiv präsent wie chuck es immer selber war – in seinen affären mit den frauen, für die er alles tat, nur um wieder zu verschwinden.
so ist es doch dies leben: dasein und wieder verschwinden?
das ist cut-up-poesie: alle versprechen zu brechen, noch bevor sie ein anderer überhaupt erst hat aussprechen können, nicht wahr?

aber dann liebt chuck seinen sohn, bevor ihn dessen mutter, die den alten zum teufel gehauen hat, nachdem er sie schwanger alleingelassen hatte. als einen im nachhinein partizipierenden vater wollte sie ihn nicht haben. aber, da war nun dieses geschenk, der sohn, der seinem vater sein schweigen zur verfügung stellte, wie ein sohn eben, der diese vater-spricht-mit-dem-sohn-texte einfach ins aus laufen läßt wie ein mensch, um den man sich notorisch um den einen tick zu spät bemüht, zu dem diese texte irgendwie angekrochen kommen, als wollten sie ausgerechnet von ihm absolution bekommen. tja, aber der eigentliche sinn aller anträge ist, sie abzuweisen. wer was will, stellt keinen antrag, der nimmt es sich, wenn keiner was sagt, wird es schon seine richtigkeit haben. aber dieses gejeier einer welt aus nichts als zukurzgekommenen, das geht einem auf den keks.
so oder so ähnlich ist dieser sohn von chuck – und vor allem in der nähe seines vaters, der sich in ihm gerade in seiner abweisenden art wiedererkennt. der geht, und wenn du den fragst, wann er wiederkommt, antwortet er: ja, mal schauen.
mehr verbindlichkeit gibt's nicht, registriert ein zurückbleibender, aber gerade deswegen total involvierter leser wie ein bettler in liebesangelegenheiten.

wenn der chuck-vater mit seinem sohn spricht, dann konzentriert der sich auf die fliege, die im raum herumfliegt, da und dort landet, einem auf die nerven geht mit ihrem geschnurre, sie muß einfach dranglauben, während der vater nicht aufhören kann in seinen bemühungen um den sohn, nicht daß chuck zuviel redete, daß würde er nicht tun, aber vermutlich hat er was sparsames in seinem gesichtsausdruck. wie einer, dem sie eingebleut haben, daß lieben loslassen heißt, traut er sich nicht zuzugreifen; ja, ein guter vater ist ein schlechter, und nicht umgekehrt. oder wische waschi, dreh dich nicht um?
jetzt ist es schon wieder da, das mistvieh, das nur dazu da ist, totgequetscht zu werden. aber töten darfst du nicht, sagt jetzt ausnahmsweise keiner. chuck hat die fliege gar nicht mitgekriegt, auf die sein sohn dauernd äugt, während sein vater satzweise der vater ist, der er ist.
he, wer hat eigentlich diese marotte begonnen, jedes neugeborene mit eltern zu umzingeln, die da im chor flöten, daß es das größte und schönste und einschneidenste aller erlebnisse ist, vater oder mutter oder vielleicht auch noch beides zu werden.
verdammt, diese scheiße könnte mir jetzt auch noch über die lippen kommen, denkt chuck. es ist einfach groß, jemanden gezeugt zu haben, der einem schon entgleitet, bevor er noch so richtig angekommen war. so ein anti-adventerlebnis, denkt da der dhonau-chuck





dhonau, 15:00h
=zeit war`s

chuck   477

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