dhonau: mit heruntergezogenen socken


Donnerstag, 14. April 2011


der wiederkehrende trotz im fortgeschrittenen alter und
– gott hab es selig: das HB-männlein


sagen wir mal, wir haben die schnauze voll – von ALLEM, und das vielleicht nur deswegen, weil uns die erinnerung immer wieder aufstößt an die zeit, als wir noch in reichweite waren von erwachsenen, die uns das beibringen wollten, was sie selber nicht konnten. jeder, der seine eigene erziehung noch nicht verdaut hatte, wollte sich an einem schadlos halten. daraus folgt ja keineswegs, daß diese texte ja nicht immer nur von der blödesten art waren, hie und da vielleicht, natürlich, aber die nervigkeit bestand ja gerade in der erdrückenden vernünftigkeit dieser texte, deren chiffrierter sinn von heute aus betrachtet darin zu bestehen schien, einem die erfahrungen vorzuenthalten, die "diese erwachsenen da" selber nicht hatten machen können, dürfen, wollen.
ein junger mensch kann sich vielleicht weniger gut ausdrücken, aber vielleicht spürt er dafür umso mehr, läßt sich nichts einreden, jedenfalls, wenn er heftig pubertiert, und das heißt, sich gegen all diese texter verschließt: er läßt sie auf taube ohren stoßen.
die können das nicht fassen, wo doch alles so vernünftig ist, was sie da zu sagen haben. und vernünftige texte sind texte, die durch sich selbst recht haben.
natürlich könnten wir in einem niederschmetternden satz von DAMALS enden, wo zetbe diskussion ohnehin schon gleich zweimal nicht angesagt war. da war ein vater, eine mutter, ein werauchimmer so ächt fies, daß sie keine widerrede duldeten.
dafür aber hattest du ein einfache und wirksame ersatzlösung parat: du zogst einfach eine richtige fresse, und papi flippte total aus und wurde in seiner hilflosigkeit zum HB-männchen. (wer aber kennt heute noch den berühmtesten aller totalcholeriker in unserem werbewitzigland oder den heutigen rauchfreien dunsthirnaseptikzonen?)
und dann, wenn dein alter auf rumpelstilzchen war, wußtest du, daß du nur weit genug wegfliegen mußtest von zuhause, um nicht ganz falsch zu landen und zu liegen.

irgendwann, jahre später, wenn du wider erwarten immer noch in der pubertät geblieben warst, weil du immer noch solche angst hattest vor dieser vernünftigkeit des hochrealen lebens, hattest du plötzlich oder endlich REALISIERT, wie man mit HÖCHSTKULTUR die niedere erwachsenenwelt stressieren kann, und das ist, um eine entsprechende hausnummer aufzuwarten: italienische oper, am besten in den wahnsinnsarien einer koloratursopranistin. dafür mußtest du nur ein paar secondhandscheiben auftreiben, die vielleicht noch ein bißchen an die kratzschellackzeiten gemahnten, um der höchstkultur noch ein wenig authentischen empfängerschmerz beizumengen.
natürlich war oper im erwachsenentrakt des nachkriegsgefängnisses mit wohlstandsfreigang) insofern schon wirktechnisch abgesichert, weil jeder wußte, daß das kultur ist, aber eben wie bei der sonntagspredigt, wo jeder ein sonntagsgesicht auf hatte, weil das die beste art war, abwesenheit zu kaschieren.
hinter jedem sonntagsgesicht lauerte gähnende leere.
deswegen war jeder familienvater, der nach solch einem sonntagsgottesdienst nach hause kam, gefürchtet wie ein jäh auftauchender abgrund, der einen zu verschlingen drohte.

bis heute ist dhonau diese infame opernliebe geblieben. auch wenn das nicht direkt zu werner schroeter führt, sondern eher um ihn herum, so versteht ein jeder, der nicht nur die dinge liebt, die er liebt, weil sie so liebenswert sind, sondern weil sie die richtigen anderen auch noch quälen.

das darf nicht gesagt werden, in dem land der obervernünftigen, die auf alles die immer gleich richtige antwort wissen, aber was schert einen das, wenn man überall pubertiert, wo man hingetorkelt (worden) ist, und keiner einem sagen kann, warum.


dhonau, 15:42h
=zeit war`s

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