dhonau kann sich erinnern, als er einmal jung war, noch jünger als heute, also außerordentlich jung, war er gar nicht einmal so jung, denn es gibt doch ein verhalten, das ganz dem wort ver-halten entspricht, nämlich wie man zum beispiel sagt, jemand sei verhalten, im gegensatz zu reflexhaft, impulsgesteuert, spontan. ja, der blutjunge (wieder so ein eigenartiger ausdruck) dhonau hatte die damals noch obligatorische prüfung zum übertritt in die oberschule (wie es damals hieß) wegen krankheit nicht machen können, bekam deshalb einen nachtermin mit ein oder zwei anderen schülern aus den parallellklassen. diese terminliche heraushebung war es vielleicht auch, die den ca. 10jährigen burschen dazu brachte sich zu FORMIEREN; d. h. nicht sich richtung prüfung fallen zu lassen oder das abstrakte gegenteil: wie blöd zu lernen, auf diese prüfung hin sozusagen loszurasen; nein, der formierte bursche fing an (ohne ein zutun irgendwelcher erwachsener), jeden morgen sich mit einer decke ein ruhiges ungestörtes ecklein zu suchen und gymnastikübungen zu machen, die er aus dem handballtraining kannte. das stabilisierte seine formiertheit, seine gerichtetheit, konterkarierte nervösheiten. die ganze sache lief, wen wundert's, wie geschmiert. ein sich übender mensch entwickelt einen sinn für form(en). ein blockierter mensch will da durch, wo er sich schon x-mal eine blutige nase geholt hat, besser noch eine blutige stirn. und stabilisiert dadurch das, was wir blockade nennen. bloß, weil irgendwo tür oder durchgang steht. da muß aber gar keine tür (kein durchkommen) sein. variabilität entsteht nicht durch allzu inhaltslastiges denken. phantasie ist nicht so sehr ein spiel mit inhalten, sondern vielmehr mit formen. fixiertheiten verlangen lockerungsübungen, es braucht sozusagen einen sinn für gymnastisches vorgehen. wer sich üben will, gymnastik machen möchte, muß sich einen rahmen dafür schaffen; sozusagen in clausur gehen
mit diesen beiden aspekten haben wir den ursprünglichen sinn des klosters in seiner abstraktesten, vom rein religiösen abgesehenen form skizziert.
was würden Sie antworten auf die frage, wie ein mensch beschaffen sein muß, um sein leben hinreichend gut meistern zu können, sagen wir: was eigenschaften, fähigkeiten, psyche angeht? das würde mich (auch im zusammenhang der letzten einträge) interessieren.
in überkomplexen zeiten und allgemeiner desorientierung erhöht sich der bedarf nach resümierenden, klärenden und aufräumenden anstrengungen, nach bewußtseinsarbeit, nach beratung und therapie (im schnittpunkt von individual-biographischen und allgemein-gesellschaftlichen erscheinungen), nach abstand, nach rückzug, clausur. schon sind wir wieder beim im vorigen beitrag angeschlagenen thema. und das kennen doch wohl die meisten, das hie und da auftretende bedürfnis, sich aus dem allgemeinen zirkus rauszunehmen, das OHNE-MICH; zugleich entsteht mit dem abstand zum weltlich-profanen eine erhöhte nähe zu jenseitigen themen, der brückenschlag zwischen leben und nicht-leben; was geschieht mit einem lebewesen, das alles auf sich zieht, das große-ganze in einem einzigen kleinen hirn und einem ausgreifenden, alles meinenden seelenleben, wenn es das zeitliche gesegnet hat?
die ersten vormönchlichen, vorklösterlichen rückzugsexistenzen in diesem sinne, die alsbald ihren gemeinschaften als grenzgänger zwischen dies- und jenseits gedient haben, waren für ein solches grenzleben besonders befähigte individuen, die wir als schamanen kennen. menschen, die mehr sicherheit in einem von allgemeinen gefahren und gefährdungen umzingelten leben signalisieren konnten, als es die sogenannte realität eigentlich erlaubte. sie bearbeiten das feld der allgemeinen ängste und stehen daher auch immer im verdacht, profiteure dieser ängste zu sein – egal, ob es sich um gurus oder priester gesellschaftlich hinreichend anerkannter religionen handelt.
das kloster ist sowohl ausbildungsstätte für transzendentale kommunikation wie zugleich eine rückzugsgemeinschaft, in der das soziale über alle individualität gestellt ist, die auch eine anlaufstelle für desorientierte weltbürger darstellt.
die idee der clausur als verdichtungs- und konzentrationstechnik von bewußtseinsenergien, als erhellungs- und erleuchtungstechnik, als askese, was in der worturbedeutung ÜBUNG meint, als einübende meditative (wiederholungs[!]-)technik (als ein wissen-wie) gibt es schon lange vor den klöstern. ein beispiel ist etwa der berühmte pythagoras, der mit seinen anhängern eine quasi-religiöse klosterähnliche gemeinschaft (ohne daß dieser ausdruck schon zur verfügung gestanden wäre) gebildet hat.
sprichwörtlich geworden sind auch die vorchristlichen eremiten für ein individuell organisiertes rückzugsverhalten oder die sogenannten anachoreten.
immer das gleiche du mußt ins kloster wenn du das verstehen lernen willst
herr v. u. zu scheußenbach geht gern spazieren zum beispiel in einer zeitschriftenlandschaft. Sie glauben gar nicht, meine damischen herren, was es da alles zu bestaunen gibt. heute, am dienstamvolkstag, stieß der freie herr aus einstmals erniedrigten schichten auf ein monasterisches blatt. da hielt er inne, denn das war es, was ihn schon immer am thema interessiert hatte, diese bereitschaft, in der welt sich derart abzuschließen, als gäbe es eine schlüssige methode, sich aus ihr zu lebzeiten schon für lebenslang zu verabschieden. ja, diese umständliche, keine umstände scheuende erklärung, meint das klaustrophile leben im kloster. was unseren herrn von scheußenbach insbesondere interessiert, ist der begriff der regula (siehe zum beispiel die regula benedicti).
wir kennen regel als ausdruck für die weibliche monatsblutung. das, was jeden monat wiederkehrt. damit sind wir schon, sagt der meister kommunikativer diabolik, bei einem grundlegenden begriff des lebens. das zu befruchtende ei "wartet" auf den impuls, der das leben wiederholt. diese übertragung sichert die erhaltung der gattung.
die regeln, die sich jede gemeinschaft (explizit oder implizit) gibt, betrifft das alltägliche zusammenleben der einzelnen.
da kommt dem freiherrn ein bitterer lacher auf. denn einst hatte er einer dame seines begehrens ins ohr geflüstert, mit ihr das alltägliche leben teilen zu wollen. er hatte zu ihr in warmen, einfühlsamen worten gesprochen, wie schön es doch sein muß, tag für tag gemeinsam auf dem ehelichen sofa zu sitzen und sich der television hinzugeben. natürlich wollte er der armen einen schrecken einjagen, wußte er doch, daß sie aus der fraktion der antibürger stammt, die sich das ideal auf die fahne geheftet haben, kein tag solle wie der andere sein. wenn die sogenannte routine, das karussell des immergleichen täglichen tuns, das leben auf sparflamme bringe, dann gibt's nur eines: auf und davon.
aber das principium des lebens ist wiederholung: zellteilung, atmung, herzschlag, frühling-sommer-herbst-winter, erddrehung, geburt-tod, etc.
und so ist auch der begriff der regel in seiner allgemeinen geltung höchst ambivalent. die regel ist das ausformulierte muster, das zur nachahmung, wiederholung dient. zugleich wird ein allzu offensichtlich nach solchen regeln geführtes leben als anti-leben angesehen. dennoch kommen wir um gewisse regeln nicht herum. eben alles, was schon von natur zyklisch ist. und im begriff des zyklus als dem stärksten bild des wiederkehrenden: der kreis. das, was kreislauf ist, etwa blutkreislauf, der kreislauf der jahreszeiten, wasserkreislauf, ist mehr oder weniger nahe am prinzip des lebens.
auch wenn wir von der mühle des lebens sprechen ist der aspekt des immerwiederkehrenden angesprochen.
der freiherr von scheußenbach lacht auf, da er in die runde seiner flüchtigen zuhörer schaut
mein opa, der vater meines vaters, steht für die sehr oberbayrische linie in meiner familie. er war in der tat ein schuhplattler. ich habe ein photo von ihm in lederhosen, hut mit gamsbart, hemd aus elfenbeinfarbenem leinen, wadl-strümpfe und haferlschuhe. ein schneidiges mannsbild, wie man sagte, mit ernstem gesichtsausdruck (wie auf fast allen alten fotographien). er war, wie mir erzählt wurde, nicht viel zuhause, arbeitete als eine art baukapo meist auswärts. wenn er zuhause war, ging er gern ins wirtshaus und unterhielt wohl auch die eine oder andere liebschaft. ich habe ihn nur selten einmal gesehen, auch weil wir, meine eltern und ich, der erstgeborene, schon bald aus beruflichen gründen meines vaters ins württembergische umgezogen waren, erst nach mannheim, später in den alemannischen süden, dann ins nordschwäbische. die frau meines opas, also meine oma, war schwerkrank und starb schon mit ein paarundfünfzig jahren. von ihr wurde ich, da sie einige zeit bei uns verbrachte, mit geschichten versorgt. sie las mir viel aus kinderbüchern vor, die ich bald, ohne selber lesen zu können, zu den jeweiligen bildern auswendig nachplappern konnte. ihre ehe war für sie bestimmt keine freude. aber sie hatte kinder von diesem ihren mann, bekam hinreichend geld von ihm, um für sie zu sorgen. ich glaube, mehr erwartete eine frau aus ihrem milieu auch nicht. daß ihr mann sein leben lebte, selten da war, hatte vermutlich für sie nicht nur nachteile. mein großvater hatte ein respekteinflößendes äußeres. er sprach nur das nötigste. als er gegen ende seines lebens bei uns zu besuch war mit seiner zweiten frau, war ich vielleicht 15 jahre alt, für ihn auffällig ruhig. zu ruhig, sodaß er meine eltern fragte, was sie mit mir, dem buben, gemacht hätten, ich wäre so staad (bayr. für ruhig). mehr hat er zu mir oder über mich, außer den üblichen begrüßungsformeln, kaum gesagt. aber das ist mir umso mehr haften geblieben, weil es meine situation innerhalb der familie sehr gut traf. wenn ich ich mich entfalten wollte, mußte ich schnell einen raum außerhalb der familie für mich finden, und das habe ich auch getan. das ist keine jammer bemerkung über meine jugend, sondern eine feststellung. ich glaube, wer sein leben auf seine kinder hin verlängert, bindet sie allzu stark, transportiert, ohne es zu wollen, lebensangst. das gerede von kommunikation ist allzuoft sentimental unterfüttert, also schädlich in eine richtung, wie wir es wohl alle mehr oder weniger in unserer umgebung vorfinden.