"... das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat."
am ende des prinzip hoffnung von ernst bloch heißt es: "Die wirkliche Genesis ist nicht am Anfang, sondern am Ende, und sie beginnt erst anzufangen, wenn Gesellschaft und Dasein radikal werden, das heißt sich an der Wurzel fassen. Die Wurzel der Geschichte aber ist der arbeitende, schaffende, die Gegebenheiten umbildende und überholende Mensch. Hat er sich erfaßt und das Seine ohne Entäußerung und Entfremdung in realer Demokratie begründet, so entsteht in der Welt etwas, das allen in die Kindheit scheint und worin noch niemand war: Heimat."
auch wenn das principium das ist, was der wortbedeutung zuvorderst heißt: anfang, dann steckt in dieser urbedeutung vor allem auch das anfang stiftende und auf allen (entwicklungs)ebenen wiederkehrende prinzip – so haben wir einen tieferen begriff, nämlich den blochschen von prinzip, wie er etwa im wort der prinzipienreiterei sozusagen im flachen versandet ist (weil damit ein starres festhalten verbunden ist). principium meint so gesehen auch das aufbrechen in eine neue zeit, etwas, das bestenfalls in träumen 'vorgescheint' war (in anlehnung an blochs kategorie der ÄSTHETIK des VORSCHEINS), das tagtraumhaft aus der kraft eines antizipierenden bewußtseins zur ankündigung gekommen war
die sprache blochs ist besser zu verstehen, wenn wir uns den (literarischen) deutschen expressionismus vergegenwärtigen
auch wenn ich bloch heute, nach vielen jahren der ersten lektüren, kaum noch lesen kann, so ist, davon abgesehen, daß ich in meinen jungen jahren bloch regelrecht verehrt habe, das staunen (auch eine zentrale kategorie in seiner philosophie) über das komplexe phänomen des traums geblieben. das staunen nämlich bewahrt einen davor, sich allzuschnell in bewährte antworten zu verlieren, reflexhaft die gegenstände auf distanz zu halten, deren nähe wir doch eigentlich suchen. so sind viele antworten doch mehr eine abwehr von fragen, mit denen wir leben müssen, schon insofern es für diese fragen, die einen ein leben lang umtreiben, keine endgültigen antworten geben kann. die sprache des traums, in der nicht wir selber zu wort kommen, sondern, wenn wir dieses angestrengte wort aushalten wollen, unser SEIN. es ist, als ob in diesen träumen, insbesondere den sogenannten wach- oder tagträumen, eine welt spricht, wie sie noch nicht ist. (das noch-nicht-bewußte ist eine weitere zentrale kategorie der blochschen philosophie)
träumen im wachen muß nicht nur als wirklichkeitsflucht gesehen werden, die es auch sein kann. träumen, in dem gegenwärtigkeit ist, mit der betonung auf GEGEN, heißt auch einer realität zu WIDERSTEHEN (widerstandsfähigkeit, robustheit), mit der wir uns abfinden sollen, weil das vielleicht für die einen oder anderen von interesse ist.
wir könnten das wort vom wachträumen modifizieren und von wachen träumen sprechen — und die gibt es, solange menschen der freiheit verpflichtet bleiben
kein lebewesen lebt mehr von unterscheidung als der mensch — und im unterschied zu allen anderen lebewesen ist der mensch das tier, das KEIN tier ist, nämlich ein untier. (darin ist doch schon angedeutet, daß der mensch das tierhafte in eine richtung zu steigern in der lage ist, das den grad seines nicht mit sich einverstanden seins maximalisiert hat) der mensch ist das wesen, das mit sich im elementaren sinn nicht einverstanden ist, das sich im spiegel des BÖSEN betrachtet, um mithin zu sagen: wir, die menschen, haben auf den rechten, den aufrichtigen weg zu kommen. denn die in uns angelegte sucht nach beSONDERung (woraus sich wohl auch das wort SÜNDE ableitet) spielt doch der teufel (der herr der abweichung und sozusagen der geist aller individualität). denn individuum ist man nur durch die versuchtheit, einen abweichenden, einen sonderweg zu gehen und sozusagen dem antisozialen impuls zu frönen, nämlich wie gott sein wollen, also herr des eigenen schicksals; eine wahrheit und zugleich eine illusion, aber eben eine unabdingbare, etwas, das jeder mensch, sofern er mensch ist, zu durchleben hat; also richtet er sich auf, vielmehr geht mit der aufrichtung auf zwei beine das verlangen einher, AUFRECHTHEIT als einen wert von dauer zu etablieren. aufrecht sein und nicht-böse ist gleichsam der WERT, der gegen ihn, den mensch, selber steht, entgegensteht, also dergestalt gegenstand wird und also THEMA, das thema nämlich des menschen, das ihn gegen sein TIER-THEMA in stellung bringt, eben gegen das rein nackte ÜBERLEBEN, den gattungsimpuls schlechthin. natürlich bleibt ihm sein "tierthema", das überleben, aber er darf es nicht mehr ungebrochen singen, er muß auch noch darüberhinaus lieb werden, das ist das mitsein mit anderen, mitleiden. er soll sich also wandeln in das mitfühlende, mitleidende wesen da nun das überleben beim menschen unter das fällt, was wir ARBEIT nennen, das ist im grunde das bestellen der welt gegen andere welt-nützer, so ist, wenn wir den lebenskampf in der natur als die ursache des BÖSEN ansehen wollen, die arbeit, das "zivilisert böse", die moderierte form der grausamkeit der natur vom fressen und gefressen werden. und alles, was wir im weitesten sinn unter das feld der arbeit rechnen, bringt uns den leitmotivischen begriff des arbeitenden menschen: den NUTZEN, die NÜTZLICHKEIT. das gegen die "böse", sagen wir ruhig auch: überlebensstarke seite des menschen gesetzte thema ist also das tun ohne zweck, das nicht einem nutzen verpflichtete tun. das tun um seiner selbst willen. dafür sagt der mensch braucht er MUßE. also ein feld gegen NUTZEN und ARBEIT. die christliche variante ist dafür der SONNTAG, da darf nicht gearbeitet werden, da gilt es nur zu SEIN, mit dieser "kleinen" einschränkung, daß dem nutzlosesten aller wesen, dem unlebewesen alias GOTT zu huldigen ist (opfergaben zu bringen auf dem altar).
wer je noch diesen christlichen sonntag als junger mensch in einer gemeinde erlebt hat, nämlich als einen tag des KIRCHGANGSs zur HEILIGEN MESSE, dem wird diese vertracktheit der christlichen auffassung von der nutzfreien zeit, der vorgeblichen muße, so richtig geläufig sein. dem wird die zeit der befreiung vom nutzen und von der PFLICHT, so richtig als die vollendung zur UNFREIHEIT geläufig sein
wir wollen hier einen beitrag etablieren zu befreiung der muße aus diesen christlichen klauen, die ja mittlerweile ein richtiges problem haben, den modernen menschen zu erfassen. insofern ist dieser befreiungskampf eigentlich schon gewonnen. die gotteshäuser sind leer. aber andererseits leider auch die muße. die muße ist in den nutzen einer globalen unterhaltungsindustrie gestellt. und diese so sich einstellende leerheit der muße besteht gerade darin, daß die nutzlosigkeit, die nutzenferne, die nutzleere der muße von der industrialiserten welt der arbeit, wo nutzen auch noch durch effizienz immerfort gesteigert werden soll, in kaufbare waren verwandelt ist. und alles, was verbrauchen, was konsumieren ist, hinterläßt ein gefühl der leere. überall herrscht diese leere verbrauchsmuße, die in wahrheit das gegenteil von muße ist, denn diese mußeninhalte sind wie pharmazeutische produkte wirkstoffbestimmt. glück, trauer, freude verwandeln sich in pillen. etc. dabei ist der sonntag, welcher ursprungsvergessen aber noch in (un)bewußtseinsresten die christliche opfermentalität wie ein schlechtes gewissen ohne inhalt enthält, vielleicht ein weg zur rückgewinnung der muße. schauen Sie, in diesem einstmals berühmten film finden Sie alles, was das vielfach gebrochene sonntagsthema ausmacht. von der – karl-valentinesken – saudummheit des sonntags bis zur müßigen stimmung einer übernutzten welt, von der melancholie bis zur aufheiternden launigkeit einer erwartungsbefreiten lebenssphäre
wenn wir weit genug auf abstand zu uns gehen, dann sind wir von diesem gedachten punkt aus null und nichtig
unterschiede sind (beim besten willen) nicht (mehr) zu erkennen.
aber wie kommen wir in diesen abstand zu uns SELBST.
durch gedankenexperiment (wissenschaft)
oder alternativ: abstand zu sich selbst (als einem sozialen wesen) durch verarbeitung von sieg und niederlage (erfolg/mißerfolg etc.) (in sozialem wettbewerb).
durch das sichere gefühl, daß es jenseits des ordnungsregisters "sieg/niederlage" welten gebe, die davon fatal nicht erfaßt sind — ein MEHR, das wir das HUMANUM schlechthin nennen könnten
nach dem ENERGIEERHALTUNGSSATZ kann energie weder hergestellt noch vernichtet, sondern nur aus der einen in die andere form transformiert werden
alles, was geschieht, ist daher nur übersetzung
was sich uns zeigt, zeigt sich durch uns und unsere unterschiedenheit von anderem. weil es etwas gibt, das nicht wir sind, gibt es uns
in der differentialrechnung machen wir uns den gedanken zunutze, daß zwischen zwei punkten einer abstandslinie immer noch ein weiterer punkt gefunden werden kann, egal wie klein der abstand ist. wir versuchen hier in der sprache diskreter (=wohlunterschiedener) dinge (=punkte auf dem zahlenstrahl) ein kontinuum (=der reellen zahlen) zu beschreiben. die mathematik überbrückt diesen widerspruch durch die sog. grenzwertrechnung, aus der differenzial- und integralrechnung hervorgehen. ein begriff, in dem die idee des kontinuums impliziert ist, ist der der stetigkeit (von kurven). es gibt keine lücken. wir können mit einer formel lückenlos auskunft geben (unter der bedingung einer funktion oder abbildungsvorschrift einer zugeordneten ["rechtseindeutigen"] eigenschaft) psychologisch ein ergebnis des horror vacui (des widerwillens gegenüber jeder leere)
so gesehen ist mathematik kompensierte paranoia
energie ist der inbegriff des unsichtbaren seins, des latenten, des noch-nicht, des zukünftigen (im gegenwärtigen)
eines morgens hatte ich noch im halbschlaf, auf halbem weg zur wachheit, eine idee, irgendwas mit helfen, was genau, weiß ich jetzt nicht mehr, aber was ich noch klar erinnere war, daß ich sie ganz gut fand. helfen und glaube ich unterstützen war das wort gewesen, das dabei eine rolle spielte, ja, genau, ich stütze mich irgendwo ein, daß es nicht zusammenkracht; — klingt irgendwie brachial, so diese vorstellung, fest eingefügt zu sein, nein, das klingt doch ziemlich zwanghaft, nicht?
UNTERSTÜTZEN – das klingt auch nach stützpfeiler, pilaster, säule. vermutlich war der traum, aus dem halbwachen heraus ins bewußtsein gekommen, eine nachbereitung meiner beschäftigung mit dem italienischen renaissance-baumeister und bildhauer BRUNELLESCHI, berühmt vor allem auch durch den kuppelbau des florentinischen doms und dem FINDELHAUS ("ospedale degli innocenti"), sozusagen eine erste einrichtung für ausgesetzte kinder und babies, also eine art babyklappe.
in der renaissancearchitektur spielt die säule eine große rolle. auch insofern, als die renaissance in der tradition zur antike eine (vgl. den begriff humanismus) starke bezogenheit zum menschen als INDIVIDUUM wie auch als (stadt)bürger (seine urbane organisiertheit als soziales wesen) hatte. so ist von brunelleschi die architektur eines gebäudes auf die piazza (stadtplatz) hin gedacht. schon insofern ist diese architektur politisch zu verstehen. die stützende säule, wie wir sie in den griechischen tempeln finden, ist nicht nur ein tragendes element dieser architektur, sie löst sich aus diesem kontext, etwa als blendsäule, und gewinnt dadurch abstraktere möglichkeiten. der antike bezug von säule und statue ist offensichtlich.
im findelhaus als einer renaissancearchitektur, bei der die säule in arkadengängen natürlich eine außerordentliche rolle spielt, ist nun der bezug des stützens auch ins soziale gewendet. der gliedernde aspekt der säulenarchitektur verbindet sich schon begriffslogisch mit einem – organisierten/ organhaften – ganzen (der stadt und des stadtplatzes) so jetzt hab ich die idee langsam wieder: in diesen baulichen zusammenhängen erscheint der begriff stützen rsp. auch helfen/ hilfreich sein in einem systemischen ganzen. das helfen würde in dieser weise der sozialen organisationsintelligenz zugerechnet werden, nämlich sich in einen überindividuellen zusammenhang sehen zu können. helfend sein soll also der mensch in dem sozialen kontext, in dem er sich befindet und in dem er seinen bezug zu dem sozialen ganzen erkennt. zugleich wird in diesem gedanken die dialektik von helfen/ stützen klar. wer hilft kommt in die senkrechte des aufgerichteten, ihm ist also selbst geholfen, wenn wir in dieser senkrechte, dem AUFRECHTSEIN, die idee der würde gespiegelt finden. individualität bedeutet in diesem renaissance-sinn eine gegliederte, konturierte stellung zu einem sozialen ganzen zu verkörpern. ohne diesen überindividuellen ("stützenden") aspekt ist individualität eine form von desorientiertheit. so ungefähr ließe sich diese verbindung zur renaissance beschreiben, um aus dieser modernen verwahrlosungsanfälligen individualität herauszufinden.