GLANZ und ELEND des großen WELTMACKERTHEATERS
oder die (ausstehende wieder-)geburt des menschen aus dem geist der gemeinschaftlichen werkstatt
retreat rundum. (de-stroying & dis-stroying
die vorigen einträge gingen über so scheinbar disparate themen wie renaissance und sagen wir mal die mediale synchronisierung aller welten in dieser (web-)welt.
giorgio vasari als der sogenannte erfinder der renaissance ist ebenso auch nicht der erfinder der renaissance, insofern es einen solchen gar nicht geben kann. das thema ist vergleichbar mit der weltgeschichte, die sich als erzählung über ein paar großartige (sprich: geniale) männer alias alexander dem übergroßen, caesar, napoleon, stalin, hitler etc. in umlauf hält. das ganze desaster einer solchen weltgeschichte (ob nun positiv oder negativ resümiert) liegt im ideologischen charakter eben einer solchen resümierung des großen MACKERTHEATERs.
daß geschichte einer ganzen menschheit als geschichte von großen männern und noch größeren kulturleistungen und größten katastrophen tradiert wird, ist schon des öfteren einmal kritisiert worden. andererseits ist die anbetung von frontmännern und anderen rampensäuen naturellement ganz offensichtlich ausdruck eines kollektiven bedürfnisses, in großen namen zu verschwinden.
die erfindung der INDIVIDUAL-kultur ist hier als eine der großen voraussetzungen des globalismus im gewand des kapitalistischen wirtschaftens behauptet worden. ohne die generalmobilmachung des einzelnen durch narzißtische dynamisierungstechniken würde das alltägliche gerenne in den einkaufsmeilen und shoping-center nicht vorstellbar sein.
wie wichtig es ist, als ein EINZELNER GROSSARTIGER (sprich: UNVERWECHSELBARER) mensch in dieser riesenmaschinerie zur erzeugung von unterschiedenheit in erscheinung zu treten, kann jeder mit händen greifen, der sich da irgendwo erschöpft am rand niedersetzt und den diversen out-fit-klimmzügen aus der distanz beiwohnt.
der vasari selbst war einer der renaissance-künstler, die es selber gar nicht geschafft haben, wenn wir einmal von den uffizien in florenz absehen, für die er (mit)verantwortlich war, sich mit irgendeinem kunstwerk zu verewigen. vasari hat sich mit den großen ersten künstlerbiographien der kunstgeschichte verewigt. (die biographie als instrument zur hervorbringung von medialer präsenz großartiger individuen sind im kleinen zetbe die bewerbungsvita und die selbstdarstellung)
jetzt wurde aus einer werkstattproduktion genieproduktion. das werk brachte andersherum formuliert einen GROSSEN MANN hervor. hier vollzieht sich der wechsel von künstler- und bauwerkstätten zu INDIVIDUAL-leistungen, wie er die renaissance insgesamt überschreiben läßt. das, was wir heute GENIE nennen, war einmal eine KOLLEKTIVE leistung gewesen mit einem meister voran, natürlich, aber in dieser VASARI-leistung formuliert sich der wechsel ZU einer fetischierung des GROSSEN EINZELNEN, dem mackergenie. welche ohne frage eine unvergleichliche dynamik hervorgebracht hat, von der wir offensichtlich nicht so einfach lassen können. das INDIVIDUUM ist die große religion, die anbetung des unsterblichen einzelnen, sagen wir der einfachheit halber die große ELVISisierung offenbart in dieser verkürzung nebemn dem glanz auch das große elend, neben der faszinierenden gesellschaftlichen dynamik auch das große elend und die soziale verwahrlosung, die im großartigen individuum nimmersatt auf der lauer liegt.
das, was sich mit den hausmarken STUTTGART 21, mit dem elend der großartigen ATOMAREN TECHNIK, dem erfolg der einstigen LATZHOSENPARTEI und auch der antihierarchischen NETZKULTUR abzeichnet, ist ein ende der anbetung des individuums.
joschka fischer ist insofern interessant, weil er eine umschlagsfigur ist, wenn wir einmal ein solches begriffsungetüm zulassen wollen, in der der große glamour des TOLLEN einzelnen UND seine soziale verhunzung sich veranschaulicht in diesem einzig erträglichen moment seines abdankens. hier ist ein großartiger kerl gegangen, der von melancholie, misanthropie und anti-rampensau-gestik bestimmt ist, der irgendwo zu wissen scheint, daß er in gewisser weise ein bloßer NEBENDARSTELLER seines eigenen dramas (gewesen) ist.
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ein zitat aus dem buch über giorgio vasari von gerd blum:
"Wenngleich Vasaris Künstlerviten dem Mythos des einsamen Originalgenies maßgeblich vorgearbeitet haben, gehorchte er selbst ihm in seiner Praxis nicht. Vasaris Arbeitsethos und die seine Autobiographie prägende Selbstdarstellung als self-made man folgten vielmehr einer Hochschätzung der Arbeit, des Fleißes und des Unternehmertums, die unter den Kaufleuten und Handwerkern der toskanischen Städte schon seit dem Mittelalter verbreitet war. Diese Wertschätzung steht allerdings in einem Widerspruch zu Vasaris durchgängiger Selbststilisierung als Zögling und Günstling der Medici – ..." (aus: "Giorgio Vasari. Der Erfinder der Renaissance", s. 23; münchen 2011) |
wir sehen hier, daß die produktion von genies (vergleichbar mit dem heutigen starkult) herrschaftsinteressen geschuldet ist. der "backgrounder" vasari schaufelte in seinem "kunstagentenleben" ein immenses vermögen zusammen. wie die medici-sippe als banker, finanzdienstleister und produzenten repräsentativer baukunst die herrschaft des bürgertums vorwegnahmen, so stellt florenz ein urbild moderner staatlichkeit und machtausübung dar. interessant aber ist in den zusammenhängen der letzten einträge das hier vorbereitete ideologische instrumentarium des individuums, das etwa in der heutigen sog. ich-ag eine verschobene ausprägung hat. die emanzipationsidee vom autonomen subjekt ist längst in kapitalistischer ideologie verkommen. es zeigt sich im stuttgart 21 politikum, wie eine handvoll backgroundeminenzen dieses projekt im stillen alleingang so weit vorangetrieben hatten, daß es quasi nicht mehr rückgängig zu machen ist. das politikum oder der skandal, wenn man so will, besteht nicht darin, daß ein sogenanntes großprojekt intendiert ist, sondern daß darüber ein paar technokraten in startegischer intransparenz organisieren. damit ist klar, daß allgemeine gesellschaftliche bürgerinteressen außen vor bleiben. auf diese weise bluten schon seit jahrzehnten die innenstädte der großen metropolen aus und verwandeln sie in ein einziges WARENHAUS ... |
wenn wir aus heutiger kritischer sicht FLORENZ auf uns beziehen, dann soll die bannkraft menschlicher möglichkeiten nicht nur abgewertet sein. niemand kann und will sich der schönheit der renaissancestadt entziehen. daraus folgt aber nicht, daß wir, die so gern als wähler angesprochen werden, wenn wir als konsumenten signalisieren, wir hätten die schnauze voll von dem affenzirkus, der überall aufgezäunt wird. die welt umzingelt uns als großes versprechen glücklichmachender waren als belohnung für gewaltige anstrengungen in der (selbst-)ausbeutung des unverwechselbaren einzigartigen massenindividuums.
es ist an der zeit, die ambitionierte individualkultur in freudvolle dezentrale kooperationen zu übersetzen. die trostlose starkultur hat abgewirtschaftet. d. h. ja nicht, daß wir keine exzentrisch disponierten rampensaumenschen bräuchten, daß wir auf entertainer verzichten könnten oder wollten — aber wenn das konzert vorbei ist, muß auch mal wieder schluß sein mit der anbetung einzelner. nicht nur der bassist hat ein anrecht auf ein stilles glück.
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