dhonau: mit heruntergezogenen socken


Montag, 26. September 2011


penner und andere soziale stellungen



ein penner ist ein penner, weil er auf die straße geht, um dort zu schlafen, er muß keine behelligung (außer verscheucht zu werden) fürchten, er ist durch diese seine gesellschaftliche ächtung, sein stinken im öffentlichen raum ein wenig auch geschützt, er hat sich in die gosse fallen lassen, um offensiv seine verliererstellung zu agieren (im idealerweise unterstellten selbstbewußten fall), indem er sozusagen jedem wettbewerb entsagt.
ja, man könnte soweit gehen, daß er der wachheit, die jeder wettbewerb verlangt, mit seinem pennertum eine definitorische grenze gibt: seht her, bei mir hören die diversen gerüche der feinen unterschiede auf, bei mir fängt der gestank kategorischen gleichseins an

wenn wir uns nicht nur reflexhaft zum begriff des wettbewerbs (je nach weltanschauung) in position bringen wollen, erscheint dieser doch zunächst auch als das natürlichste, das vitalisierende oder jedenfalls dynamisierende element im sozialen schlechthin.
er gibt dem begriff lebendigkeit, – während wir mit dem sozialen im herrschenden sprachgebrauch doch ansonsten eher hilfe, unterstützung, miteinander und dergleichen verbinden.

bei vielleicht etwas längerem nachdenken sehen wir, daß die entfaltung des begriffs des sozialen aus der gegensätzlichkeit, die ihm offensichtlich innewohnt, erst seinen sinn zu tage fördert, nämlich uns über die engeren beziehungen der familie und des "stammes" hinaus in größere formen menschlicher gemeinschaft einzubeziehen, die uns sozusagen ins gesellschaftliche umformatieren.

ein mensch wird erst mensch, wenn er auch außerhalb der familie eine präsenz entwickeln kann: im politisch-öffentlich-gesellschaftlichen raum (als wähler, bürger, teilnehmer und organisator von öffentlichen ereignissen, als käufer und – womöglich organiserter – arbeitnehmer etc. – oder eben auch als penner durch nicht-teilnahme, der hier nicht keine teilnahme bedeutet, sondern als grenzfall von teilnahme etabliert ist)

man könnte sozial heute auch verstehen als mediale kompetenz, die einen menschen zum teilhabefähigen gesellschaftswesen werden läßt; dabei wäre dann natürlich nicht nur von den medien im engeren sinn die rede, sondern von allem, was unterschiede und gemeinsamkeit in einer gesellschaft herstellt.

sprache (als ur-medium gedacht) ist die sphäre, in der durch bezeichnung und bedeutung unterschiede gemacht werden, auf die sich alle, die sich ihrer bedienen, aus ihrer privatheit begeben, indem sie diese sprache als eine gemeinsame sprechen, sodaß die grundlage des gemeinsamen sprechens die allgemeingültigkeit der sprache ist (auch wenn die als solche im alltag gar nicht so ohne weiteres erfahren wird).

wir sehen, sozial sein, heißt gesellschaftsfähig sein, heißt sich der sprache der anderen bedienen zu können, mit anderen zu sprechen.

wer sich von anderen nicht unterscheidet, wird mit ihnen keine gemeinschaft herstellen können, der ist nicht vertrags-, nicht kompromiß-, nicht, freundschafts-, nicht beziehungsfähig. wer angst haben muß in beziehungen zu verschwinden, wird sie nicht so ohne weiteres eingehen – es sei denn, er oder sie ist darauf geeicht zu verschwinden, auf minimalpräsenz

so gestalten sich die jahrhunderte in die herausbildung immer größerer formate bis schließlich über uns dies große allumspannende netz geworfen ist, an dem doch jeder zugleich auch anfängt mitzuspinnen.

da haben wir den hochinteressanten punkt des umschlagens vom passiv ins aktiv und umgekehrt im visier.

wenn wettbewerb eine form der komplexitätsreduzierung darstellt, vereinfachender spielregeln, die darüber entscheiden, wer gewinner und wer verlierer ist, so wird in dem maße, wieviele menschen dieser wettbewerb miteinschließen kann, die relativität dieses spiels schnell auch vergessen sein, ja, im extremen zum absolutum werden.

der wettbewerb um die aufmerksamkeit, der aus menschen kunden oder käufer werden läßt, ist tatsächlich ein solches absolutum geworden.
da kommen wir dann schnell dahinter, daß mit der semmel nicht nur das brötchen verkauft wird, sondern sich mithin ein austausch organsiert, der mehr ist, als der wechsel zwischen gegenständen (mit gebrauchswert) und geld (tauschwert — um die marxsche terminologie zu verwenden).

der maßstab, den solche (waren)verkehrsformen etablieren, nimmt eine allgemeinheit an, eine allgemeingültigkeit, daß menschen, die in diesen wettbewerben schlecht aussehen, ihr selbstwertgefühl einbüßen. sie fangen an sich zu schämen, ein schamleben zu führen, die gesichtslosigkeit geradezu zu suchen, während doch jeder wettbewerb genau das gegenteil verlangt: brust raus, kopf hoch sozusagen — aber schamleben bringen menschen hervor, die nicht hinausgehen ins gesellschaftliche, sondern in familiären beziehungen reduzieren, eindicken, mufflig werden, krummbucklig, gesenkten blickes durch die gegend laufen.

der münchner OB christian ude hat einmal als versuch einem PENNER (um mit dem politisch inkorrekten begriff die gesellschaftliche abwertungswahrheit wieder greifbar werden zu lassen) arbeitsplatz und wohnung verschafft, der das "geschenk" nur ein paar wochen durchgehalten hat, um dann wieder auf die straße zu gehen. das hatte nichts mit faulheit zu tun, sondern eher damit, daß in dieser sphäre der wettbewerbsdisponierten gesellschaft, aus der er ja ausgesondert war, seine SCHAM über sich selbst erst zur "vollen blüte" kam, während er auf der straße "seine" leute findet, denen er sich nicht erklären muß)

es kann auf dauer nicht gutgehen, daß ein mensch an wettbewerben teilnimmt, für die er nicht disponiert, initiiert oder geeicht ist – wie immer man das auch ausdrücken möchte.
stellen Sie, liebe leserInnen, einmal vor, Sie kommen auf eine tagung der weitspringer dieser welt: ihr direkt oder indirekt kommunizierter wert hängt aller voraussicht nach davon ab, wie weit Sie persönlich springen können.
wenn Ihre fähigkeit eher darin läge, hochzuspringen, werden Sie vermutlich, da Sie, wenn Sie sich ins spiel bringen wollen, vermutlich mit Ihrer hochspringerei nicht durchkommen. schnell werden Sie erleben, daß wettbewerb immer auch von interpretationskämpfen begleitet ist. womöglich wird man ihre neigung, hochzuspringen, als vermeidungsverhalten auslegen. es ist auch nicht unwahrscheinlich, daß Sie bald anfangen, ihre hochspringerei ins weite zu ziehen, bis Sie ein erstes lob erhalten, das ein generöser sieger der weitspringergesellschaft Ihnen gewährt, obwohl ihr sprung nach dem maßstab der weite doch eher kümmerlich ausgefallen war.
Sie fangen an, um aufnahme zu betteln durch dieses Ihr verhalten. die erste aufmerksamkeit, die Ihnen entgegenplätschert, macht Sie disponiert, es wird mit Ihnen ein neuer aspirant für einen verlierer eingeführt in die mächtige lobby einer weitsprungdisponierten gesellschaft.

setzen Sie dagegen etwas, für das Sie disponiert sind, auch wenn das wenig applaus in den großen arenen dieser welt bringt, fangen Sie an zu lernen, allein sein zu können, bis Sie aus der schwerkraft Ihres selbstverständlichen tuns bei einzelnen anderen Interesse wecken.
aus Ihrer hochspringerdisposition haben Sie plötzlich ein spiel entwickelt, das Ihnen womöglich die freude zeitigt, die welt aus den verschiedensten höhenlagen zu betrachten etc. etc.
Sie lernen, Ihre eigene währung zu setzen, Ihre themen ins spiel zu bringen, – und nicht nach den regeln einer, um beim beispiel zu bleiben, weitsprungdisponierten welt zu tanzen, Sie lernen, die aufmerksamkeit von blicken zu entbehren, die nur sinn fürs weite haben.
das himmelhochjauchzende (und wird von Ihnen und Ihren mitbewerbern im hochsprungalltag in den sinn für viele brauchbaren höhenlage übersetzt werden



dhonau, 19:47h
=zeit war`s

das soziale wesen   432

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