aus dem dschungel all des losgelassenen — inkontinente bemerkungen
aus der reihe: endlich sagt's mal einer
wäre die welt ein kopf, hätte sie migräne. sie ist es aber nicht, nicht wahr? so müssen sich alle, insofern sie einzelne sind und nicht alle oder gar die ganze welt, in sie einzufühlen suchen, sollten sie wenigstens eine vorstellung davon haben wollen, wie es in dem superindividuum aussieht.
natürlich ist es ein gesicherter bestandteil der aufklärung, daß die welt nicht aus unseren vorstellungen (was hinter und vor uns läge) gebaut ist, aber irgendetwas muß es doch geben, das uns mit der allmacht in verbindung treten lassen kann.
wir alle sind nicht nur nach göthe wanderer hienieden. da steht (irgendwann einmal, aber immer) folgende frage an oder dumm herum: wer war zuerst da? der paranoia-hase, der non-individualist igel? oder der mit dem größten hintern, wir nennen ihn auch beSITZer?
apropopo: ein essay ist ein versuch, aus den dingen, die kopfschmerzen verursachen, resistenzen (oder auf austriakisch: ein leckst mi am oasch) zu entwickeln, insofern trägt diesjeniger artikel wohl schon erste immunschwache anzeichen von inkontinenz in sich, weswegen doch hier ganz besonders die redewendung
eine bemerkung fallen [ge]lassen [zu haben] (als einer variante des loslassens)
1 Orantsche rollt auf' m tisch hin und her und das Blaukraut drunter das blaukraut das blaukraut das weiß es nicht!! und kann es doch doch nicht vergessen
in wettbewerben zu bestehen von denen noch keiner gehört hat
an sich zu halten, nicht wegzudriften, wenn`s eng wird, älter zu werden, den letzten themen des lebens in der eigenen familie näher zu kommen, immer näher, im rausfallen aus den rasanten zeiten um würde zu ringen, und trotzdem sich manchmal ein gesundes leck-mich zu gestatten, sich nicht unterbuttern lassen, niederlagen zu ertragen, siege erfinden lernen, in wettbewerben zu bestehen, von denen noch keiner gehört hat, in menschen sich einzufühlen, die noch auf ihre geburt warten, einer religion anzugehören, die keine mitglieder kennt, gebete zu sprechen, die keinen inhalt haben — das beschreibt die dhonau'sche gefühlslage so in etwa und ganz allgemein
hier sei ein thematisches feld abgesteckt, zu dem alle (in welcher form auch immer) eingeladen seien, etwas beizutragen assoziative stichwörter könnten u. a. sein: soziale kontrolle, freiheit des individuums, selbstverwirklichung, engagement, teamgeist, fürsorge, übergriffigkeit, minderheitenschutz, mehrheitsentscheidung, mobbing, führungsfähigkeit, einfühlungsvermögen, durchsetzungsvermögen, konfliktfähigkeit, kompromißbereitschaft, hingabefähigkeit, rücksicht, risikobereitschaft etc.
ein individuum ist ein sozialisiertes (gemeinschaftsfähiges) menschliches einzelwesen, das seine rechte, bedürfnisse und interessen gegenüber und in gemeinschaft und gesellschaft wahrnimmt. die schnittstellen des privaten, gesellschaftlichen, politischen und ökonomischen lebens beschreiben das spannungsfeld von selbstverantwortlichkeit des individuums (gegenüber der gemeinschaft) und solidarität der gemeinschaft (gegenüber dem einzelnen)
"Werner Schroeter, geboren am 7.April 1945 in Georgenthal, Thüringen, war ein führender Regisseur des Neuen Deutschen Films, reüssierte später auch als Inszenator von Theaterstücken und Opern. Musik, vor allem die von Maria Callas, prägte sein Werk, in Melodramen wie „Neapolitanische Geschwister“ (1978) und dem Berlinale-Gewinner „Palermo oder Wolfsburg“ (1980) wandte er sich auch sozialen Anliegen zu. Bekannt ist auch Schroeters umstrittene Bachmann-Verfilmung „Malina“ (1991). Am 12. April 2010 ist der seit Langem schwer krebskranke Regisseur in Kassel gestorben."
("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.04.2010)
dieser pressetext, der ein wenig hölzern daherkommt, paßt überhaupt nicht zu schroeter. ich war mitte der 70er jahre nach einer vorführung im heidelberger GLORIA kino, glaube, es war salome, mit ein paar anderen zuschauern, vermutlich nur studenten, und dem regisseur selber im WEISSEN BOCK (wo sich damals alle möglichen studenten- und politgruppen trafen), um ein wenig après-film zu halten, zu diskutieren ..., na ja. obwohl ich diese mischung aus kadergehabe und seminarathmosphäre in jenen tagen haßte, war ich als fan der schroeter-filme doch mitgegangen schroeter war zu jener zeit in allen linken kunst- und politszenerien sehr ambivalent gehandelt. einerseits kam er aus der homosexuellen befreiungskunst, andererseits aber äußerte er sich nicht als schwuler kampfkünstler wie sein ex-freund rosa von praunheim, der explizit emanzipationspolitische ziele verfolgte. er selber wollte sich nicht als homosexuellen künstler sehen, und seine filme waren auch ästhetisch inkorrekt, denn sie hatten stark manieristische elemente, waren also hochgradig antirealistisch, strotzten vor bildhafter posen-darstellung, gefrorenem pathos. das aber gefiel mir und meinen freunden damals gerade. die pose, die stilisierung konterkarierte die linke "meinungskunst" und hatte gerade deswegen eine zutiefst subkulturelle ausstrahlung. sie widersetzte sich jeder politischen vereinahmung. wir, meine politisch verwahrlosten freunde und ich, hatten die schnauze voll von dem ganzen politjargon, der damals im umlauf war, und der nach allen seiten, insbesondere auch den künsten, ideologische forderungen stellte und einer rechtgläubigkeit frönte, der gegenüber alle natürlich von vorneherein verdächtig waren. schroeter war zwar wegen seiner antibürgerlichen haltung, seiner "gender-anarchie" gelitten, aber zugleich wegen seines ästhetizismus' als kunstwichser (so die drastische linke kritik) angesehen worden. nebenbei gesagt: zeittypisch war ebenso, daß — von einem aufkommenden kampffeminismus, der in dieser phase noch solche verkrampfungen in sich barg — etwa die klassischen deutschen märchen wegen ihrer patriarchalen struktur zum großen teil indiziert waren. kaum zu glauben, – aber solch lächerlichen ausmaße nahm dies linke aussonderungsgehabe an. schroeter war gegenüber solch kleinbürgerlich gefärbtem verfolgungswahn resistent. er liebte das pathos der oper, die ekstase in der kunst, großes theater, den freiheitsdrang des bohemien